Essen. . Der Rauswurf von Trainer Waldemar Wrobel sorgte bei Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen für Unruhe. Mit dem neuen Trainer Marc Fascher verlor das Team alle drei Begegnungen. Nun geht es am Freitag gegen den Angstgegner SC Verl.

Es ist das Highlight im Niederrheinpokal seit langer langer Zeit: Kommenden Dienstag erwartet der Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen den Drittligisten MSV Duisburg zum Halbfinale. Das Stadion Essen wird erstmals seit seiner Einweihung mit 20 000 Zuschauern ausverkauft sein, Sport1 überträgt live (18.30 Uhr).

Es könnte alles so schön sein – ist es aber nicht. Denn der Traditionsklub von der Hafenstraße übt sich momentan wieder in seiner Lieblings-Beschäftigung, die offensichtlich in der Vereins-DNA vorgegeben ist: In der Zerreißprobe.

Der erste sportliche Rückschlag für RWE

Rückblende: Vor vier Jahren läutete am alten Georg-Melches-Stadion zuletzt das Totenglöckchen. Der Verein war pleite, es war nichtmals mehr Geld für einen eigenen Bleistift vorhanden. Doch die Insolvenz glückte, RWE war arm aber sexy und fand tatsächlich in Trainer Waldemar Wrobel und Manager Damian Jamro zwei unerschrockene Kerle, die aus der übrig gebliebenen U 23 und einigen unbekannten Talenten eine NRW-Liga-Truppe zimmerten. Der Verein zeigte sich geläutert und wollte nie nie wieder ins unkalkulierbare Risiko gehen.

Dann begann das Fußball-Märchen: Direkter Wiederaufstieg nach einem Triumphzug über Lande, im ersten Regionalliga-Jahr Platz acht, im zweiten Jahr Rang vier – die Erwartungen wuchsen schneller als das neue Stadion auf den Trümmern des alten. In diesem Jahr – und alles andere wäre wirklich ein Märchen gewesen – dann der erste sportliche Rückschlag. Die Mannschaft dümpelte, nach einer beispiellosen Verletzungsserie und einem verkorksten Saisonstart durch einen Wasserschaden im neuen Stadion, im Mittelfeld der Tabelle. Unsexy – aber wenigstens sicher.

Wieder mal die alten Mechanismen

Und dennoch griffen die alten Mechanismen. Als RWE-Boss Dr. Michael Welling, ein anerkannter Marketing-Experte und nach eigenem Bekunden kein Fußballfachmann, der rauhe Fan-Wind frontal ins Gesicht wehte, holte er sich sportliche Kompetenz ins schwankende Boot. Mit Dr. Uwe Harttgen, Bremer Ex-Profi und promovierter Psychologe, wurde der neue Vorstand Sport besetzt. Der schaute sich das rot-weiße Treiben zwei Monate lang freundlich lächelnd an, ehe er in Machiavelli-Manier die Strukturen zerschlug: Cheftrainer Waldemar Wrobel musste gehen, ausgerechnet nach einem 4:0-Sieg über die SSVg. Velbert und einem sorgenfreien Platz im Mittelfeld. Kurz darauf erwischte es auch A-Jugendcoach Marco Rudnick, dessen U 19 bis dahin eine knüppelharte Rückrunde gegen Teams aus den vorderen Rängen gespielt hatte und sich nun auf die Abstiegs-Duelle vorbereiten wollte.

Besonders die Entlassung Wrobels hatte ein Geschmäckle, erfuhr er dies doch durch einen Anruf eines Reporters und nicht vom Verein. „Wir hatten uns bemüht, mit Waldemar ein Gespräch zu führen“, sagte Harttgen. Was dem Geschassten die Zornesröte ins Gesicht trieb. Dienstag vor dem Velbert-Wochenende senkten Vorstand und Aufsichtsrat den Daumen über den Ex-Coach, am Mittwoch wurden Wrobel und Harttgen beim Pokalderby der Kölner Fortuna Seite an Seite gesehen. „Wir fuhren gemeinsam im Auto hin und wieder zurück. Und da ergab sich nicht die Gelegenheit für ein Gespräch?“ fragt sich nicht nur Wrobel. Der ist heute, zwei Wochen nach seiner Freisetzung, noch frustriert: „Wir hatten den klaren Plan, langfristig und geduldig etwas aufzubauen. Das wurde mit einem Handstreich erledigt.“

Wrobels Nachfolger wurde Marc Fascher, der mit Kickers Emden und Preußen Münster immerhin schon mal in die Dritte Liga aufstieg. Dessen ernüchternde RWE-Zwischenbilanz: Drei Spiele, null Punkte, darunter eine schmerzliche Premieren-Niederlage gegen die Schalker Zweitvertretung. Fascher meint, dass die Qualität der Niederlagen aber immer besser werden. Immerhin etwas.

Die Abstimmung mit den Füßen

Die Fans sind zwiegespalten, viele sind fassungslos ob des fliegenden Wechsels im ruhigen Mittelfeld-Strom. Gegen Schalke waren es schon beträchtlich weniger als der phänomenale 8000er-Rekordschnitt des Liga-Krösus. Am Ende gingen sie still und kopfschüttelnd. Und zur Auswärtsfahrt zu Fortuna Köln rafften sich zuletzt nur noch 200 Unentwegte auf, wo sich sonst eine vierstellige Abordnung auf den Weg macht. Die Abstimmung mit den Füßen läuft.

In der neuen Saison soll mal wieder kräftig umgekrempelt werden. Harttgen: „Wir suchen Spieler mittleren Alters, und, ja, wir zahlen auch ordentlich“, meinte er im Interview mit Reviersport. Angeknabbert werden soll dafür auch die Özil-Ausbildungsentschädigung, die von Real und Arsenal in Raten gezahlt wird.

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Die Spieler – zwölf Verträge laufen aus – sind total verunsichert, jeder befürchtet, es erwische ihn zum Saisonende. Aber sie werden jetzt noch gebraucht. Schon am Freitag gegen den SC Verl, eine Art Angstgegner. Sollte auch diese Partie verloren gehen, wird es an der Hafenstraße mal wieder spannend. Und dann denkt wirklich keiner mehr ans kommende Pokalspiel.