München. Der Traum von der Nationalelf ist längst begraben. Und selbst bei Bayern München hat Michael Rensing es schwer, sich durchzusetzen.
In diesem Spiel ist alles drin, das Hochgefühl, die Spitzenleistung, die Angst, die Panik, die Resignation, die Wut, die reine Energie. Doch jetzt bin ich am Ziel. Ein Sprung. Ich habe es geschafft. Die totale Überzeugung.
So erinnert man sich als Erwachsener also an einen Kindergeburtstag und einen Sieg im Sackhüpfen. Jedenfalls, wenn man Oliver Kahn heißt.
Michael Rensing ist der Anti-Kahn.
Wahrscheinlich ist es das, was es Michael Rensing so schwer macht. Das und die Schwäche in der Strafraumbeherrschung. Für einen wie Oliver Kahn war das Leben vor allem Kampf. Der ständige Antrieb, der Beste zu sein, es sich selbst und allen anderen zeigen zu müssen, immer und überall. Das setzte sich beim ehemaligen Bayern- und Nationalkeeper auch nach dem Schlusspfiff fort. Kahns Körperhaltung bei Interviews war auf Einschüchterung angelegt, der Blick galt auch in den Mixed-Zonen der Liga meistens nicht der Traube von Fragestellern, sondern ging irgendwo ins Weite, nagelte einen Fixpunkt an die Wand. Wer wollte, konnte das als Geringschätzung empfinden, weil Kahn durch einen hindurch sah.
Michael Rensing, der bei Bayern München eingeplant war als der legitime Kahn-Nachfolger, für den Manager Uli Hoeneß schon lautstarke Lobby-Arbeit betrieb, als die anderen Jungen, Manuel Neuer und Rene Adler, schon spielten und Rensing sich noch Schwielen auf der Bank saß, ist da anders. Ein netter und freundlicher junger Mann, der sein Gegenüber anschaut, Augenkontakt sucht, der leise spricht, nett lächelt und sich höflich entschuldigt, wenn er nach einem Spiel die Fragestunde beenden muss, weil der Flieger nicht wartet.
Wo Kahn zugegriffen hat, wartet Rensing, was sich ergibt. Nach einer Dreiviertel-Saison als Nummer eins bei Bayern, einer Dreiviertel-Saison die nicht so gut war, wie erhofft, aber vor allem in den Europapokalspielen auch nicht so schlecht, wie sie nachher gemacht worden ist, demontierte ihn der damalige Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann, als er Rensing vor dem Champions-League-Spiel in Barcelona auf die Bank setzte und danach nie wieder brachte – entgegen fester Zusagen, wie der 25-Jährige behauptet.
Rensings Leistung war damals sicherlich nicht fehlerfrei, dennoch wirkte Klinsmanns Schritt fast brutal, weil er erstens dazu dienen sollte, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und Klinsmann sich zweitens auf Jörg Butt als Alternative stützen musste, der in Leverkusen in der Bundesliga rapide abgebaut hatte.
Man stellt sich lieber nicht vor, was Oliver Kahn in so einer Lage getan hätte. Michael Rensing nahm sie hin, nach außen loyal und klaglos. Von der Nationalelf ist er so weit entfernt wie Jürgen Klinsmann von einem Comeback in München, und dass Rensing sich seinen Stammplatz bei den Bayern zurückgeholt hat, war vor dem Auftakt eine dicke Überraschung. „Vielleicht”, hat er nach dem Auftakt-Match in Hoffenheim gesagt, „muss ich 150 oder 200 Spiele machen, damit die Diskussionen aufhören.”
Es ist ein ehrlicher Satz, ein bescheidener. Einer, den ein Torwart, der die Nummer eins bei Bayern München sein will, leider nicht sagen darf.
Der Satz eines Anti-Kahn.