Essen/Duisburg. . Der frühere Box-Weltmeister, der in Duisburg-Rheinhausen zur Welt kam, hat in seinem Leben nichts ausgelassen: Skandale, sportliche Erfolge, Tiefschläge. An diesem Sonntag wird „Grazze“ 50 Jahre alt. Ein Rückblick auf ein wildes Leben.

Graciano Rocchigiani hat über sein Leben gesagt: „Ick hab’ wenigstens wat zu erzählen, langweilig war det nie.“ Stimmt.

Der frühere Box-Weltmeister, der vor 50 Jahren in Duisburg-Rheinhausen zur Welt kam und in Berlin lebt, war mehrfacher Millionär, verprasste das Geld, wurde Hartz-IV-Empfänger, soff mehr als jeder Gully nach einem Platzregen und landete im Gefängnis, aber eins hat er nie gemacht: Er hat nie gelogen.

„Grazze“ war auch nie nett, Grazze ist ehrlich und rau. Vielleicht war er zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort. Etwa in dem Park, in dem sein Hund ohne Leine über die Wiese lief, als ein Hausmeister vorbei kam. Der Hausmeister beschwerte sich über den Hund, Grazze verpasste ihm eine Ohrfeige. Wenn ein Profi-Boxer einen anderen Menschen ohrfeigt, ist das schwere Körperverletzung: Haft!

Einmal, aber auch nur einmal, kam es anders mit der falschen Zeit und dem falschen Ort, und das Gefängnis dürfte Grazze vor noch schlimmeren Folgen bewahrt haben. Es war ein Abend im Berliner Estrell-Hotel, Dariusz „Tiger“ Michalczewski hatte gerade einen WM-Kampf gewonnen und saß bei der Pressekonferenz am Mikrofon.

Feinde fürs Leben

Der Tiger und Grazze, Feinde fürs Leben. Und dann hat der Tiger auch noch in Berlin gewonnen, dem Wohnzimmer der Familie Rocchigiani. In den hinteren Reihen steht Grazzes Bruder Ralf, früher Weltmeister im Cruisergewicht, mit seiner Frau. Seine Frau mischt sich in die Pressekonferenz ein und stellt Fragen, vorne verliert Michalczewski die Nerven und zetert: „Schmeißt endlich die Nutte raus!“ Boxen ist ein derbes Geschäft. Ralf Rocchigiani explodiert. „Wenn du meine Frau noch einmal Nutte nennst, dann prügele ich dich da oben vom Podium runter.“

Der Tiger zischt: „Nutte, Nutte, Nutte“ ins Mikrofon. Ralf stürmt nach vorne, die Sicherheitskräfte trauen sich nicht an den Ex-Profi heran. Aber es bleibt beim verbalen Schlagabtausch. Wäre Grazze in seinem Wohnzimmer dabei gewesen, hätte das Hotel wohl am Ende den Saal neu einrichten müssen.

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© A.Mangen / waz

Aber Rocchigiani war nicht nur der Haudrauf-und-Schluss. Jahre nach seiner Karriere hockte er eines Vormittags in einem Duisburger Hinterhof neben einem Boxring. Er hatte sein eigenes Gym eröffnet und erklärte Anfängern, wie man die Deckung hochhält. Er erklärte mit leuchtenden Augen, in diesem Mann muss eine wahre Liebe zum Boxen stecken. Doch wie es so oft in der Liebe ist: Sie hat auch zerstörerische Kraft. Das Projekte scheiterte, irgendwann war das Gym abgeschlossen, und Grazze war einfach weg.

Vor neun Jahren hat er in einem Prozess in den USA 25 Millionen Dollar Schadensersatz gegen den Box-Weltverband WBC erstritten, der ihm den WM-Titel geklaut hatte. Der Verband wäre durch diese Summe in die Pleite getrieben und bot Grazze 4,5 Millionen Dollar auf die Hand. Grazze nahm an.

Kurz darauf war alles weg. Verzockt, versoffen, Freunden spendiert. Eben weg.

Die Kneipe auf Mallorca

Eine Kneipe, die er auf Mallorca mit dem früheren Fußballprofi Thomas Kempe eröffnete, lief nicht. Als Kempe zu Hause in Voerde war, schloss Rocchigiani eines Abends die Kneipe ab, warf den Schlüssel weg und verschwand. Kempe ist bis heute nicht gut auf seinen alten Kumpel zu sprechen.

Doch Grazze war im Ring ein Stehaufmännchen, im Leben ist er es auch. Aufgeben? Niemals! Er hat einen neuen Job als Sportkoordinator in der Weltliga der Amateurboxer, und nach Monaten im Zimmer einer Berliner Pension sucht er gerade im Stadtteil Charlottenburg eine eigene Wohnung.

Am Sonntag feiert er seinen 50. Geburtstag. Trink’ nicht zu viel, Grazze. Aber auch nicht zu wenig!