Berlin. In ihrem Kampf gegen ihren ramponierten Ruf lässt Claudia Pechstein keine juristische Möglichkeit aus und erstattet erneut Selbstanzeige wegen extremer Blutwerte. Für diese war die Eisschnellläuferin 2009 noch für zwei Jahre gesperrt worden. Der Wert liegt außerhalb des Referenzbereiches des Geräteherstellers.

Claudia Pechstein lässt nicht locker und verschärft ihre Wortwahl gegen den Eislauf-Weltverband ISU. Nach ihrem bislang höchsten Retikulozytenwert auf dem Sysmex-Gerät hat sie zum dritten Mal Selbstanzeige erstattet. Wie das Management der fünfmaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin am Mittwoch mitteilte, wurde die Selbstanzeige an die ISU, die Welt-Anti-Dopingagentur WADA, die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG und die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA versandt.

"Was im Februar 2009 angeblich Doping war, kann doch jetzt unmöglich auf wundersame Art kein Doping mehr sein. Die ISU soll mir entweder erneut den Prozess machen oder endlich eingestehen, dass meine zweijährige Sperre ein Fehlurteil war", erklärte Pechstein.

Grund der Selbstanzeige ist ihr höchster Wert junger roter Blutkörperchen (Retikulozyten), den die ISU am 7. November 2013 jemals auf einem Sysmex-Gerät ermittelt hatte. Die Messung wies in Pechsteins Blut Retikulozyten in Höhe von 2,49 Prozent aus. Der Wert liegt außerhalb des Referenzbereiches des Geräteherstellers Sysmex, der zwischen 0,5 bis 2,0 Prozent liegt.

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Zugleich liegt das Ergebnis auch über dem ISU-Grenzwert von 2,40 Prozent, den der Weltverband definierte, als er die Messungen noch auf dem Vorgängergerät Advia vornahm. Ohne auf den Wechsel des Geräts hinzuweisen, hatte die ISU im Oktober erklärt, es sei "überraschend", dass sich die Retikulozytenwerte Pechsteins nach Ablauf ihrer Sperre "seit April 2011 im normalen Rahmen stabilisiert haben".

Sarkasmus vor dem Prozess

Die ISU bestreitet die Diagnose des Münchner Professors Stefan Eber, der eine vom Vater vererbte Blutanomalie als Ursache für Pechsteins erhöhten Retikulozytenwerte festgestellt hatte. Sarkastisch wurde in der ISU-Erklärung vor dem Auftakt des Münchner Schadenersatzprozesses ergänzt, dass "die angebliche Blutanomalie plötzlich und wundersam verschwunden" sei.

"Ich bin sehr gespannt, was die Verbandsbosse jetzt sagen. Niemand kann nun noch die Mär anführen, meine Anomalie sei wundersam verschwunden. Es sei denn, er behauptet zugleich, meine immer mal wieder erhöhten Retikulozytenwerte seien nur durch Doping erklärbar", kommentierte Pechstein die Messungen. "Aber dies traut sich niemand mehr von den ISU-Verantwortlichen", betonte sie.

Aus dem Schriftsatz der Selbstanzeige geht zugleich hervor, dass die ISU nach dem extremen Testergebnis darauf verzichtete - wie sonst üblich - eine Nachkontrolle vorzunehmen. DESG-Teamärztin Silja Schwarz bestätigte, dass Pechstein nach dem Teamrennen am 10. November zur Blutkontrolle ausgelost war, der Medical Advisor der ISU, Joel Shobe aus den USA, aber auf eine erneut Probe verzichtete. Zudem hatte Pechstein nach eigener Aussage ein Woche später in Salt Lake City bei der ISU um eine Blut-Kontrolle gebeten. Das wurde mit der Begründung abgelehnt, dass es bei diesem Weltcup überhaupt keine Blutkontrolle der ISU gebe, bestätigte Teamchef Helge Jasch. (dpa)