Essen. Am Sonntag will Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel in Ungarn seinen Vorsprung in der WM-Wertung ausbauen. Wir haben mit Vettel über hohe Geschwindigkeiten und den Ratschlag seiner Mutter gesprochen.
Man sagt ja, dass alte Liebe nicht rostet. Sebastian Vettel sitzt noch nicht ganz, da fragt er schon, wie sich sein Freund Timo Glock gerade in der Tourenwagen-Meisterschaft so schlägt. Das fragt der Formel-1-Weltmeister nicht nur, weil Glock und er sich lange kennen. Vettel ist rundum sportbegeistert. Ein Gespräch vor dem Grand Prix in Ungarn (Sonntag, 14 Uhr/RTL und im DerWesten-Ticker) über Badminton und Borussia Dortmund, über Tempolimits und Mutters guten Ratschlag.
Herr Vettel, hört ein dreifacher Formel-1-Weltmeister von seiner Mutter den Satz: Junge, fahr vorsichtig?
Sebastian Vettel: Ja, natürlich. Das sagt wahrscheinlich jede Mutter und das ist bei mir nicht anders als bei jedem anderen.
Bittet sie Sie vor einem Grand Prix um Vorsicht oder wenn Sie privat unterwegs sind?
Vettel: Eher, wenn ich zu Hause unterwegs bin und Autobahn fahre. Die Formel 1 ist mein Beruf, dazu entwickeln dann auch die Eltern eine professionelle Einstellung.
Sind Sie privat ein rasanter Fahrer?
Vettel: Eigentlich nicht. Die meisten Leute haben ein falsches Bild, denken immer, wenn man in der Formel 1 ist, dass man auch auf der Straße fährt wie ein Gestörter. Das ist das Gute an meinem Job, da kann ich mich auf der Rennstrecke austoben. Und ich glaube, in dem besten Auto, das es gibt. Da kommt selbst ein Sportwagen nicht annähernd ran.
Also sind Sie noch nie geblitzt worden?
Vettel: Wenn man keinen Stress hat, kommt es auf zwei, drei Minuten doch überhaupt nicht an – mit dem Alter bin ich da weiser geworden. Geblitzt worden bin ich schon mal. Aber ich würde sagen, ich bin alles in allem ein passiver Autofahrer.
Einer, der sogar mit einem VW-Bus in den Urlaub fährt. Brauchen Sie die Langsamkeit als Kontrast zu ihrem Hochgeschwindigkeits-Job?
Vettel: Man darf da nicht zu viel hinein interpretieren. Ich setze mich ja nicht in einen VW-Bus, weil ich es toll finde, dass der so langsam ist. Aber es macht Spaß, den zu fahren. Wissen Sie, was das Beste ist?
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Nein?
Vettel: Es passt jede Menge Gepäck rein.
Sie müssen doch einen Kultur-Schock bekommen, wenn Sie aus ihrem hochgezüchteten Red Bull in ein normales Auto steigen?
Vettel: Wieso? Nein, wirklich nicht. Schauen Sie doch mal, wie hoch technisiert Autos im Alltag sind. Wenn ich einen Leihwagen nehme und das Modell nicht kenne, muss ich erstmal suchen, bis ich jeden Knopf gefunden habe. Aber man will ja nicht auf Navigation und Telefon im Auto verzichten. Manchmal denke ich, das ist direkt ein bisschen schade, weil das eigentliche Kernstück, der Motor, so in den Hintergrund rückt. Wenn früher etwas nicht funktionierte, hat man die Haube aufgemacht, geschaut und geschraubt. Heute sieht man nichts mehr, man muss sofort in die Werkstatt, und da sucht der Computer nach dem Fehler.
Fast wie in der Formel 1…
Vettel: So ungefähr. Die Zeiten, in denen Fahrer sich im Detail mit den Motoren beschäftigt haben, sind doch vorbei. Das ist alles viel zu kompliziert geworden.
Herr Vettel, die Formel 1 fährt in 19 Ländern und auf allen Kontinenten, in den USA, aber auch in Indien. Sehen Sie die Welt, oder ist die Welt der immer gleiche Mix aus Hotel und Rennstrecke?
Vettel: Natürlich sehe ich was. Uns sperrt doch keiner ein.
Können Sie sich überhaupt ungestört bewegen?
Vettel: In der Regel schon. Man kennt im Laufe der Zeit die Städte, in denen wir fahren, man entwickelt seine Rituale. Man weiß, wo man Essen gehen kann, man kennt die interessanten Ecken. Man nimmt sich seine kleinen Fluchten. In Tokio fahre ich gerne U-Bahn und beobachte Menschen. In Montreal laufe ich jedes Jahr auf einen bestimmten Hügel, weil man dort einen wunderschönen Blick über die Stadt hat. Aber ich finde es mindestens so schön, wieder nach Hause zu kommen. Ich brauche nicht ständig Trubel um mich herum, ich möchte meine Ruhe haben, das ist wichtig für die innere Balance.
So denkt Formel-1-Weltmeister Vettel über Schalke und den BVB
Fehlt Ihnen etwas typisch Deutsches, wenn Sie unterwegs sind?
Vettel: Sie werden lachen: Brot. Ich liebe unser Brot, da gibt es weltweit kein besseres. Und ich habe immer DVDs mit Tatort-Folgen dabei. Und bevor Sie fragen, welche Ermittler ich am liebsten sehe: Batic und Leitmayr, die Münchener. Weil sie witzig sind, ohne witzig sein zu wollen.
Jetzt mal ohne Witz: Hatten sie nie Angst in einem Formel-1-Cockpit?
Vettel: Nein, das wäre unmöglich.
Respekt vor der Geschwindigkeit?
Vettel: Natürlich, vor allem am Anfang. Als ich 2005 meine erste Testrunde gedreht habe, bin ich ausgestiegen und habe gedacht: So, das war es jetzt, das ist alles eine Nummer zu groß für dich. Aber dann gewöhnt man sich an die Geschwindigkeit.
Lassen Sie uns einen Moment über andere Sportarten reden. Sie haben einen Mini-Triathlon absolviert, sie sitzen oft auf dem Rennrad, sie spielen Badminton…
Vettel: Ja, gegen Kimi Räikkönen. Ich verliere die meisten Partien. Jedes Mal nehme ich mir danach vor, mehr zu trainieren. Aber mir fehlt die Zeit.
Fußball…
Vettel: … interessiert mich riesig, natürlich. Jeder weiß ja, dass ich Fan von Eintracht Frankfurt bin.
Und hier im Westen? Schalke oder Dortmund?
Vettel: Dortmund. Das kommt durch meinen Freundeskreis, in dem gibt es ein paar Dortmunder. Ich war mit den Jungs ein paar Mal im Stadion, die Atmosphäre ist gigantisch. Zu Schalke habe ich es noch nicht geschafft. Leider fährt Michael Schumacher nicht mehr, mit dem konnte ich gut über Fußball reden.
Sie leben in einer Welt, in der Sekundenbruchteile entscheiden. Denken Sie über die Formel 1 auch in Jahren?
Vettel: Ich könnte, aber was soll das bringen? Ich werde oft gefragt, wie viele WM-Titel ich noch gewinnen kann, ob ich wie Schumi sieben Titel schaffe. Was soll ich darauf antworten? Die Wahrheit ist: Wir fahren jetzt in Ungarn, derzeit läuft es richtig gut für mein Team und mich, und ich habe großen Spaß an meinem Beruf. Weiter denke ich im Moment wirklich nicht.