Wenige Tage vor Beginn der Leichtathletik-WM in Berlin spricht DOSB-Präsident Thomas Bach im SID-Interview über den Stellenwert der Gastgeberrolle für den deutschen Sport.

Am Samstag beginnt in Berlin die 12. Leichtathletik-WM. Mit fast 200 Athleten ist sie der Höhepunkt des Sportjahres 2009. Thomas Bach, Präsident des DOSB, spricht im Interview mit dem SID über die Chancen für den Gastgeber Deutschland.

SID: "Herr Bach, Deutschland ist ab Samstag Gastgeber des Weltsport-Höhepunkts 2009. Bei der Leichtathletik-WM sind fast 2000 Athleten aus 200 Nationen vereint. Welchen Stellenwert hat diese WM für den deutschen Sport?"

Thomas Bach: "Diese WM ist eine Visitenkarte für uns, gerade wegen der großen Anzahl teilnehmender Nationen. Wir können der ganzen Welt wieder die Sportbegeisterung Deutschlands unter Beweis stellen und natürlich zeigen, dass wir hervorragend organisieren können."

SID: "Die Leichtathleten erinnern sich gern an die fröhliche WM 1993 in Stuttgart. Was zeichnet die deutschen Zuschauer aus?"

Bach: "Sie unterstützen nicht nur die eigenen Athleten und Mannschaften, sondern erkennen gute Leistungen an und feiern diese, egal, von wem sie erbracht worden sind."

SID: "Würde eine erfolgreiche WM auch Rückenwind für Münchens Olympiabewerbung um die Winterspiele 2018 bringen?"

Bach: "Ja, auf jeden Fall."

SID: "Inwiefern?"

Bach: "Die Leichtathletik-WM wird sich nahtlos einfügen in die Reihe der sympathischen Weltmeisterschaften, die wir in den letzten Jahren in Deutschland erlebt und organisiert haben. Das wird in der Welt wahrgenommen."

SID: "Die deutsche Leichtathletik erlebte in Peking ein Desaster, war mit nur einer Bronzemedaille so schwach wie seit 100 Jahren nicht mehr. Trauen Sie ihr nun die Trendwende zu?"

Bach: "Ich denke ja. Man sieht an den Vorleistungen, dass eine Reihe von Medaillenchancen da ist. Ich setze auf unsere Athleten, und glaube, dass sie die besondere Unterstützung des Heim-Publikums nutzen können."

SID: "Würden Sie einen Medaillentipp wagen? Wie oft stehen deutsche Athleten auf dem Podest?"

Bach: "Das würde ich nicht wagen. Jeder weiß, wie eng alles beisammenliegt. Mit solchen Prognosen sollte man sehr vorsichtig sein."

SID: "Alle reden vom großen Sprint-Duell zwischen Usain Bolt und Tyson Gay. Wer gewinnt?"

Bach: "Ich glaube Usain Bolt."

SID: "Warum?"

Bach: "Weil er eine gelassene Selbstsicherheit ausstrahlt, die gerade im Sprint eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung ist. Er bleibt einfach immer locker."

SID: "Ist das der Wettkampf, auf den Sie sich auch persönlich am meisten freuen?"

Bach: "Ich freue mich auf eine ganze Menge Wettkämpfe und werde jeden Abend im Stadion sein. Da wird es viel zu erleben geben, gerade auch aus deutscher Sicht."

SID: "Wenn Sie Überlegungen wie von Diskuswerfer Robert Harting hören, der jüngst über die Dopingfreigabe philosophierte: Erschreckt Sie so etwas oder macht Sie diese Naivität wütend?"

Bach: "Ich würde bei solchen Äußerungen nicht vom Philosophieren sprechen. Dafür fehlt es ihnen an Gedankentiefe. Eine Dopingfreigabe wäre für mich ein klarer Schritt weg vom Sport hin zum Zirkus. Das entspräche nicht mehr meinen Vorstellungen und den Vorstellungen von vielen anderen. Der Sinn des Sports ist es und muss es bleiben, dass Leistungen mit körpereigenen Mitteln errungen werden und Athleten nicht wie Zirkuspferde etwas vorführen, das von Dritten in sie hineinmanipuliert worden ist."