Montreal. Nach seinem Sieg beim Großen Preis von Kanada führt Sebastian Vettel die WM-Wertung mit 132 Punkten an. Der Titelverteidiger aus Heppenheim hat schon 36 Zähler Vorsprung auf Verfolger Fernando Alonso. Vettel und Red Bull besitzen ungeheure Stabilität.
Bringen wir es gleich hinter uns, muss ja sein, nachdem Sebastian Vettel erst den Großen Preis von Kanada für einen Ego-Trip nutzte, und anschließend ein Konzert der „Rolling Stones“ anstand: Satisfaction, die volle Befriedigung. Abzulesen am WM-Stand nach dem siebten von 19 Rennen: Vettel 132 Punkte, Alonso 96, Räikkönen 88. Hatte er vor seinem ersten Sieg in Montreal schon komfortable 21 Zähler auf den härtesten Verfolger, der da noch Räikkönen hieß, sind es jetzt schon 36.
Noch eindrucksvoller wird es, wenn man sich den Punktestand zur gleichen Zeit des Vorjahres vergegenwärtigt: Damals lag der Spanier mit 86:85 Zählern in Führung. Die aktuelle Rangliste deckt sich also durchaus mit dem Rennverlauf von Montreal – der Titelverteidiger aus Heppenheim bewegt sich in einer eigenen Umlaufbahn.
Alonso geißelt Ferrari
Jetzt also wieder Alonso, der große, alte und ewig neue Rivale. Schon im Aufenthaltsraum hinter dem Siegerpodest auf dem Circuit Gilles Villeneuve kam es zu einem kräftigen und eher freundschaftlichen Armdrücken zwischen den beiden Kontrahenten. So scheint besiegelt, dass es richtig losgehen kann mit der Champions League des Motorsports.
Wunderbare Gegenentwürfe sind die beiden, nur im gelegentlich für die anderen schwer erträglichen Ehrgeiz vereint. Während Sebastian Vettel ausgiebig den Flutopfern in der Heimat Mut zuspricht, geißelt Alonso in seiner Ansprache sofort wieder die Qualifikationsschwäche des Ferrari: „Wer ganz vorn steht, kann das Rennen diktieren.“ Gemeinnützigkeit ist eben auch etwas Individuelles: Der eine will ein ganzes Volk motivieren, der andere seinen Rennstall.
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„Leicht gesagt, aber schwer getan“, antwortet Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, „aber die Qualifikation ist der Schlüsselfaktor für unsere Ambitionen. Ich gucke also nicht auf die anderen im Moment, sondern auf uns.“ Fernando Alonso ist nur als Sechster gestartet, weil das Qualifying völlig verregnet war – aber was heißt das schon bei ihm. „Kampfschwein“ nennt ihn die Branchenplattform „f1total.com“, und das ist beinahe zärtlich, zumindest ehrfürchtig gemeint. In seiner Siegeransprache stellte er sich ein entsprechendes Zeugnis aus: „Dieser zweite Platz hat für mich den Geschmack eines Sieges.“ Eine Kampfansage im Duell der Spätbremser.
Vettel grinst nach Start-Ziel-Sieg
„Wir wünschen es ihm nicht, aber wir würden auch nicht weinen, wenn Vettel mal ausfällt“, sagt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, „Sebastian ist sonst ja immer zur Stelle und wenn er mal die Mauer küsst, dann nicht zu arg.“ Glück oder Lohn des Tüchtigen? „Genau für solche Situationen fährt man ja einen Vorsprung heraus“, bilanzierte Vettel später mit einem Grinsen. Die Einsamkeit eines Start-Ziel-Siegers ist nun auch kein ganz bedauernswerter Zustand.
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Im Gegenteil.„Es ist unheimlich schön, wenn man ein Auto hat, das man von Runde zu Runde peitschen kann“, sagt Vettel. Der Deutsche und Red Bull besitzen ungeheure Stabilität – drei Siege in sieben Rennen, zwei vierte Ränge als schlechteste Platzierung. Alonso rechnet schon einmal hoch, wann der kritische Bereich im WM-Kampf beginnt: „Ich denke erst, wenn man 80 Punkte oder mehr zurück liegt. Aber es gab in der Vergangenheit auch Fahrer, die haben einen Rückstand von drei Rennsiegen noch wettgemacht.“ Das kann nur bedeuten: Er rechnet irgendwie auch mit dem Schlimmsten.