Berlin. Die Facebook-Attacke gegen Schalkes Torhüter Timo Hildebrand ist kein Einzelfall. In der Vergangenheit wurden schon öfter prominente Sportler auf sozialen Netzwerken beleidigt, beschimpft oder sexuell belästigt. Mitunter müssen die Opfer sogar mit realen Drohungen leben.

Timo Hildebrand wollte die üble Beleidigung auf seiner Facebook-Pinnwand nicht einfach so als Dummejungenstreich abtun. Der Torhüter von Schalke 04 verzichtete zwar auf eine Anzeige, animierte seine Fangemeinde aber zu einer angeregten Diskussion über das Thema Internet-Mobbing. Es ist unbestritten, dass im Zeitalter der neuen Medien prominente Sportler verstärkt zur Zielscheibe anonymer Angriffe werden. Manchmal schlägt die Fanwut im Internet aber auch in reale Bedrohungen über.

Im Fall Hildebrand "ist die Grenze eindeutig überschritten"

"Durch das Internet gibt es einen signifikanten Anstieg von Beleidigungen und Bedrohungen durch Fans. Wenn man anonym bleibt, ist so etwas natürlich viel einfacher, als wenn der andere vor einem steht und zurückschlagen könnte", sagt Fanforscher Gunter A. Pilz: "Diese Unart ist nur schwer aufzuhalten. Das ist eine Schattenseite der sozialen Netzwerke."

Ein Zurück wird es aber nicht geben. Fast alle Sportstars nutzen Facebook, Twitter und Co. intensiv, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern, den Namen ihrer Sponsoren zu platzieren und den Austausch mit den Fans zu pflegen. Doch die User sollten sich nicht hinter ihrer Anonymität verstecken. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Meinungsfreiheit geht in unserem Rechtssystem sehr weit, aber im Fall von Timo Hildebrand ist die Grenze eindeutig überschritten", sagte Rechtsanwalt Jan Wilking, Experte für Internetrecht.

Hildebrand, den ein User aufgefordert hatte, sich zu erschießen, will auf rechtliche Schritte verzichten. Am Dienstag entschuldigte sich der Facebook-Nutzer "Don Jannis" bei dem Keeper schriftlich für seine Entgleisung. Vor Hildebrand waren bereits andere Sportstars Opfer von Internet-Fanattacken geworden. Stuttgarts Torhüter Sven Ulreich musste kürzlich im VfB-Forum lesen, wie ein User schrieb: "Ulreich, tue dir und uns einen Gefallen und mache es so wie Enke." Nationaltorwart Robert Enke hatte sich von Depressionen geplagt im November 2009 das Leben genommen.

Hochspringerin Friedrich muss nach Facebook-Angriff mit seelischen Narben leben

Der Fall von Hochspringerin Ariane Friedrich schlug besonders hohe Wellen, weil sich die deutsche Rekordhalterin nach der sexuellen Belästigung via Facebook mit einer umstrittenen Aktion zur Wehr setzte. Die Frankfurter Leichtathletin veröffentlichte im Internet die Identität des Mannes, der ihr zuvor eine obszöne Nachricht und ein Foto seines Geschlechtsteils geschickt hatte.

Das Entschuldigungsschreiben an Timo Hildebrand.
Das Entschuldigungsschreiben an Timo Hildebrand. © Felix Hoffmann | Unbekannt

"Das war rechtlich gesehen sehr grenzwertig, denn es gilt auch hier, die Persönlichkeitsrechte der Gegenseite zu bewahren", meinte Rechtsanwalt Wilking. Friedrich war damals anderer Meinung. "Das war für mich ein persönlicher Befreiungsschlag, einfach mal auf den Tisch zu hauen, zu sagen: Bis hierher und nicht weiter. Ich habe mich in meiner Würde als Frau verletzt gefühlt", sagte Friedrich dem ZEIT-Magazin.

Nachdem sie für ihre Entscheidung via Facebook zum Teil angefeindet worden war, zog sie sich aus dem sozialen Netzwerk zurück. Die seelischen Narben aber seien geblieben, erzählte Friedrich: "Ich war fertig, bin immer weiter in den Keller gefahren. Am Ende hatte ich teilweise Angst, aus dem Haus zu gehen."

Internet-Mobbing geht mitunter sogar in reale Bedrohungen über

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Mitunter führt eine Hetzjagd im Internet tatsächlich zu körperlichen Angriffen. Das Mobbing der Kölner Fans gegen Fußballprofi Kevin Pezzoni ging so weit, dass der Abwehrspieler im Karneval angegriffen wurde. Ein Nasenbeinbruch und die spätere Trennung vom Klub waren die Folge. Der frühere Magdeburger Daniel Bauer war im Oktober 2011 vor seiner Haustür von vermummten Hooligans bedroht worden. Einer der Unbekannten soll ihn mit den Worten gewarnt haben: "Am Sonntag zählt nur ein Sieg im Derby gegen Halle, und wenn ihr nicht gewinnt, kommen wir wieder." (dpa)