Köln/Essen. Der 1. FC Köln droht zum Symbol völliger Hilflosigkeit im Umgang mit Gewalttätern zu werden. Die langjährige Vereinsführung um Klub-Ikone Wolfgang Overath hat die Konfrontation viel zu lange gescheut. Im Fall Pezzoni hat der Fußball-Pöbel obsiegt. Ein Kommentar.

Es gibt ein paar Dinge, auf die der gewöhnlich selbstgewisse Kölner stolz ist: den Dom und den Karneval, das Kölsch und die Lieder – und über allem steht dieses wohlige „Jeföhl“, diese Lebensfreude, das Laissez-faire, das Köln in den Ruf der nördlichsten Stadt Italiens erhebt. Dafür hat der Kölner sein eigenes Grundgesetz erschaffen: Et es wie et es; et kütt wie et kütt – und: Et hät noch immer joot jejange.

Mit dieser Form der Toleranz dem Leben, dem Schicksal, auch der vermeintlichen Unabänderlichkeit der Weltenläufe gegenüber hat es sich der Kölner kommod eingerichtet –  doch genau diese Toleranz ist es auch, die den 1. Fußballclub Köln jetzt in Bedrängnis bringt. Seit mehr als einem Jahr terrorisiert ein kleiner Teil seiner Anhänger die Republik; Verfolgungsjagden, gebrochene Nasenbeine, verbale Drohungen – es sind viel zu viele Begebenheiten, um die These von „Einzelfällen“ aufrichtig verteidigen zu können.

Ja, es stimmt: Diese Form der Fan-Gewalt ist kein singuläres Kölner Problem. Ja, es ist richtig, dass der Fußball insgesamt höllisch aufpassen muss, dass sich der Pöbel nicht dieses Spiels bemächtigt. Ja, es stimmt, dass alle (auch wir Medien) ihr Wirken, ihren Anteil an der Überhitzung dieses Sports, der längst ein Milliarden-Business ist, kritisch hinterfragen müssen.

Aber genauso richtig wie schockierend ist es auch, dass im Kölner Biotop der Sumpf von physischer und psychischer Gewalt offenbar besonders gut gedeiht. Und vor allem der 1. FC Köln muss sich fragen, warum gerade dieser Klub zum Symbol völliger Hilflosigkeit im Umgang mit Gewalttätern zu werden droht.

Es ist erstaunlich, es ist beklemmend, wie lange der Klub gebraucht hat, seine eigene Anhängerschaft kritisch zu hinterfragen. Die langjährige Vereinsführung um Klub-Ikone Wolfgang Overath hat die Konfrontation mit den latent gewaltbereiten, den Gewalt verharmlosenden Fan-Gruppierungen lange, viel zu lange gescheut. Der neuen Klubführung ist ein ehrliches Bemühen zur Gewaltprävention nicht abzusprechen, sie hat das Negativ-Potenzial erkannt.

Aber im Fall Pezzoni? „Ich habe das Gefühl, dass ein Spieler Richtung Schlachtbank geführt wird, das werde ich nicht tolerieren“, hatte  FC-Coach Holger Stanislawski jüngst erklärt. Drei Tage später trennten sich Klub und Spieler einvernehmlich. Pezzoni wollte – wer will ihm das verdenken – nicht mehr für den FC spielen. Und der Klub ergriff die Gelegenheit, den schwelenden Konflikt auf diese Art zu befrieden.

Doch es fühlt sich wie eine Kapitulation an. Der Fußball-Pöbel hat obsiegt, Pezzoni wird das Kölner Trikot nie mehr tragen – die Probleme aber bleiben. Sie lassen sich nicht so leicht lösen wie ein Vertrag.