Frankfurt/Main. . Andreas Rettig wird offiziell als neuer DFL-Geschäftsführer vorgestellt – der Rheinländer will mehr über Sport als über Vermarktung reden. Unter seiner Zuständigkeit soll nicht nur die Bundesliga im internationalen Wettbewerb gut aussehen, sondern auch der Blick auf die Nachrücker fallen.
Das neue Jahr ist noch jung, aber alt genug dafür, dass sich Andreas Rettig ein längst vergessenes Tor des Monats „mindestens achtmal“ angeschaut hat. Klaus-Dieter Nuyken vom Wuppertaler SV setzte vor 28 Jahren in der Oberliga Nordrhein einst jenen preisgekrönten Seitfallzieher an, den der neue Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga gestern eigens am Anfang und Ende seiner offiziellen Vorstellung einspielen ließ. Schließlich hatte er, die dunkelhaarige Nummer sieben im dreckverschmierten WSV-Trikot, per Außenristflanke die Vorarbeit geleistet. Mit dem Videoschnipsel wollte der 49-Jährige demonstrieren, dass ins verglaste Gebäude mitten im Frankfurter Bankenviertel „ein Fußballer mit bescheidenem Talent“ (Rettig) Einzug hält.
Der Verantwortungsbereich des Wunschkandidaten von Ligapräsident Reinhard Rauball umfasst Spielbetrieb und Lizenzierung. Was unspektakulär klingt, preist der Neue als „hochinteressante Aufgabe“. Unter seiner Zuständigkeit soll nicht nur die Bundesliga im internationalen Wettbewerb gut aussehen, sondern auch der Blick auf die Nachrücker fallen. Und da findet er, „dass unseren Jugendspielern zu viel in den Rucksack geladen wird.“ Die Fälle Robert Enke und Babak Rafati seien nur die Spitze eines Eisbergs, „dahinter existiert eine Grauzone, die unserer Unterstützung bedarf.“ Denn zu groß sei oft der Leistungsdruck in Wirtschaft oder Sport.
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Der gebürtige Leverkusener kennt beide Segmente: Er ist in der Bayer AG sozialisiert und als Wirtschaftsassistent ausgebildet worden, bestand dann die Fußballlehrerlizenz, ehe ihn Reiner Calmund auf seinen breiten Schoß nahm. Rettig nennt ihn „einen Top-Lehrmeister, nur die Essgewohnheiten habe ich mir nicht angewöhnt.“ Besser ist es: Rettig schwebt vor, Missstände wie die Fettleibigkeit unter Jugendlichen zu beheben, „es ist erschreckend, was da passiert.“ Sein Vorschlag für ein gemeinsames Pilotprojekt mit dem DFB: „Wir haben Tausende arbeitslose Trainer – können wir die nicht mal in die Schulen schicken?“
Taten statt Worte
Sein Dogma sind Taten statt Worte. Obwohl noch gar nicht offiziell im Amt („Ich wollte eigentlich ein halbes Jahr Auszeit“), nahm er seinen Dienst vorzeitig auf, indem er in die ausgeuferte Debatte um die Sicherheit in den Stadien einstieg. Er besuchte im Herbst in Berlin einen Fangipfel; er bringt am nächsten Dienstag in Frankfurt alle wichtigen Fanvertreter und –initiativen an einen Tisch. Sein Credo: Standpunkte austauschen, Verständnis wecken, Kompromisse finden. Rettig möchte daraus „kein Medienspektakel“ machen, „es wird nicht das Gespräch sein, wo sich alles in Luft auflöst.“ Gleichwohl ist es der richtige Ansatz.
Das frühere Ligavorstandsmitglied könnte innerhalb der DFL eine wichtige Ergänzung des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Christian Seifert, werden, der zuvorderst wegen seiner Geschäftstüchtigkeit geschätzt wird. Dessen meinungsstarker Mitstreiter soll sich bewusst als bodenständiger Arbeiter positionieren, der seine Abneigung gegen Krawatten („da habe ich eine Allergie“) beibehalten darf. Er möchte das Image der Institution DFL dahingehend verbessern, „dass wir nicht mehr nur als Vermarktungsverband, sondern ein bisschen mehr über den Sport wahrgenommen werden.“
Stationen in Freiburg und Köln
Das allgemeine Vertrauen in ihn führt auf seine solide Tätigkeit als Fußball-Manager zurück. Der SC Freiburg ist ihm für seine Weitsicht in der Talentförderung im Grunde bis heute dankbar, der 1.FC Köln, wo Rettig von 2002 bis 2005 die Geschäfte führte, und der FC Augsburg, wo er bis zu seinem Ausstieg diesen Sommer Bemerkenswertes vollbrachte, ständen sicher heute besser da, wäre er noch im Amt. Seinen Wechsel auf die nächste Funktionärsebene hat sich der Rheinländer zusammen mit seiner Frau Cordula reiflich überlegt; sein Eigenheim in Köln ist zwar nicht verkauft, aber dafür bereits eine Wohnung im Frankfurter Westend angemietet. Zur neuen Dienststätte in der Guiollettstraße kann er zu Fuß gehen. Ziemlich günstig, wenn einer so viele Pläne hat.