Berlin.. Oliver Bierhoff stand am Dienstagabend ein bisschen ratlos in der Interviewzone vor den Journalisten; zu sehr nagte das 4:4 gegen Schweden in der WM-Qualifikation auch an dem Manager der deutschen Nationalmannschaft. Bierhoff hofft, dass “schlimme Erlebnisse“ das Team “auf lange Sicht weiterbringen“.
4:4 nach 4:0 – haben Sie so etwas schon einmal erlebt?
Oliver Bierhoff: 4:0 zu Hause zu führen, so dominant zu sein und dann das Spiel noch abzugeben… (überlegt) Eigentlich nicht. Es ist eine Kettenreaktion. Jeder macht weniger, wird oberflächlicher, man gewinnt weniger Zweikämpfe, macht weniger Meter, lässt dem Gegner die eine oder andere Chance. Die Schweden haben sehr schnell das 4:1 und 4:2 gemacht. Wir sind nicht in der Lage gewesen, in irgendeiner Art und Weise den Stecker wieder reinzustecken.
Das ist doch das, was man von einer Top-Mannschaft erwarten müsste. Ist das die Nuance, die noch fehlt?
Bierhoff: Da gebe ich Ihnen Recht. Wir machen häufig den Fehler, dass wir unsere Gegner dominieren und durch Nachlässigkeiten wieder ins Spiel bringen. Bei der EM gegen die Griechen und die Holländer war das so, gegen die Österreicher auch. Das fehlt, um ganz nach oben zu kommen.
Aber es ist schwer, das im Training zu erlernen, oder?
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Bierhoff: Es ist schwer. Fehler, die wir am Ende gemacht haben, haben wir schon gegen Österreich gemacht – mit ständigen Rückpässen zu Manuel Neuer, der die Bälle dann lang nach vorne schlug. Das hatte der Trainer auch klar angesprochen, dass er das nicht haben will. Aber man verfällt dann immer wieder in Muster.
Hätte von einem Führungsspieler wie Bastian Schweinsteiger in der Schlussphase mehr kommen müssen?
Bierhoff: Ich möchte das nicht an einer Person festmachen. Vor der EM war Schweinsteiger ein Problem. Nach der EM war es ein Problem, dass er nicht da war. Es ist nicht nur ein Spieler gefordert, es sind mehrere Spieler gefordert – gerade auch die mit mehr Erfahrung.
Muss man die Spieler jetzt hart anfassen oder streicheln?
Bierhoff: Jetzt sind sie ja schon wieder bei den Vereinen. Wir dürfen aber nicht zur Tagesordnung übergehen. Man wird das knallhart analysieren, klar die Fehler ansprechen und hoffen, dass das irgendwann in den Kopf reingeht und Klick macht.
Nach dem EM-Halbfinale gegen Italien war dieses Spiel im Jahr 2012 der zweite psychologische Knacks. Wirft das die Mannschaft in ihrer Entwicklung zurück?
Bierhoff: Nein. Ich habe in meiner Karriere festgestellt, dass gerade diese Knackpunkte, die schlimmen Erlebnisse, einen auf lange Sicht weiterbringen. Ich hoffe, dass das eine wichtige Lektion war. (aufgezeichnet von Andreas Ernst in der Mixed Zone)