Berlin. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw führte im WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden schon mit 4:0 – und am Ende hieß es doch nur 4:4. So wurde aus diesem Abend mit dem Prädikat „künstlerisch wertvoll“ eine Nacht mit der wenig schmucken Auszeichnung „selten dämlich“.

Was für ein wirres Spiel, was für ein Drama, was für eine Enttäuschung. Ein Wahnsinn. Mit der letzten Aktion des Spiels schoss der Schwede Rasmus Elm sein Land in den Taumel – und hinterließ fassungslose Deutsche. Am Ende standen elf paralysierte Nationalspieler in Schwarz und Weiß auf dem Rasen – und ein 4:4 auf der Anzeigetafel des Berliner Olympiastadions. Es gab niemanden unter den 72.369 Zuschauern, der in diesem Moment begriff, wie es dazu gekommen war. Auch Bundestrainer Joachim Löw nicht: „Ich finde im Moment keine Erklärung. Die ersten 60 Minuten waren hervorragend. Und dann haben wir alles vermissen lassen in den letzten 30 Minuten. Die Ordnung hat nicht mehr gestimmt.“

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Eine Stunde lang hatten die Besucher geraunt über das perfekte deutsche Spiel. Es war ein Lehrbeispiel für technisch anspruchsvollen Kombinationsfußball – und es stand 4:0. Ein Kantersieg stand in Aussicht. Und plötzlich, dank eigener Schläfrigkeit, oder sollte man es Überheblichkeit nennen, wurde aus diesem Abend mit dem Prädikat „künstlerisch wertvoll“ eine Nacht mit der wenig schmucken Auszeichnung „selten dämlich“.

Nicht teilhaben daran durfte oder musste Marcel Schmelzer – doch die Absenz des Dortmunder Linksverteidigers hatte medizinische Gründe: Schmelzer plagt eine Knochenstauchung der linken Fußwurzel – auch so etwas gibt es. Dafür rückte Kapitän Philipp Lahm auf die linke Abwehrseite, Jerome Boateng durfte erneut rechts verteidigen. Wobei das Verteidigen an diesem Abend zunächst nicht gefragt war.

Klose fehlt noch ein Tor zum ewigen Rekord

Schon nach acht Minuten drosch Miroslav Klose die Kugel aus acht Metern im Fallen unter die Latte – 1:0. Es war nur das Entrée für die beste erste Hälfte einer DFB-Elf seit langer, langer Zeit. Das 2:0 war folgerichtig: Nach einer verwirrenden Kombination auf engstem Raum samt doppelten Doppelpässen mit den Stationen Toni Kroos (der den maladen Khedira vertrat), Mesut Özil, Thomas Müller und Marco Reus war es erneut Klose, der das Leder im Gehäuse unterbrachte (15.). Und auf der Tribüne klatschte auch Kanzlerin Angela Merkel dem 34-Jährigen Beifall – es war Kloses 67. Treffer im DFB-Dress. Nur ein Tor fehlt ihm noch zum ewigen Rekord von Gerd Müller.

Den nächsten Treffer aber erzielte nicht Klose, sondern Per Mertesacker nach einer Ecke (39.). Es war erst sein zweiter Treffer im 84. Länderspiel. Und nach dem 4:0 durch Mesut Özil (56.) erfüllte dann tatsächlich ein Rauschzustand die Massen – und offenbar auch die DFB-Elf, die plötzlich alles, aber auch alles vergaß, was im Fußball wichtig ist. Löw war darüber bass erstaunt: „Wahrscheinlich begann das Problem im Kopf. Wenn man 4:0 führt, denkt man, das Spiel ist gelaufen. Wir sind wahnsinnig enttäuscht.“

Schweden plötzlich hellwach

Das erste Tor der Schweden durch den nimmermüden Zlatan Ibrahimovic (62.) nahm die DFB-Elf, mit Ausnahme von Manuel Neuer, noch eher achselzuckend, als Schönheitsfehler hin. Doch als Mikael Lustig nur zwei Minuten später nach kollektiver Auszeit der Defensive das 4:2 erzielte, schwante wohl nicht allein dem Bundestrainer Böses. Doch es war zu spät, um den Hebel wieder umzulegen.

Einwechslungen verpufften

Die Einwechslungen (Götze, Podolski) verpufften wirkungslos, die Schweden, unverhofft wieder im Rennen, waren plötzlich hellwach. Die DFB-Elf dagegen wusste nicht, wie ihr geschah. Und als sich Johan Elmander eine Viertelstunde vor Schluss gegen Badstuber durchsetzte und den Anschluss erzielte (76.), wurde diese Partie, die mit Zauberfußball begann, zum reinen Zitterfußball. Und die Schweden machten weiter, sahen wie die Deutschen taumelten, die Defensive schwankte wie ein schlecht montiertes Billy-Regal. Und nachdem Sana den Ausgleich verpasste (85), besorgte Rasmus Elm die Pointe. Mit der allerletzten Aktion. Löw meinte dennoch: „Das wird uns nicht aus der Bahn werfen.“