Dortmund. . DFB-Präsident Wolfgang Niersbach stützt den Bundestrainer und erklärt zudem, warum Robin Dutt Nachfolger von Matthias Sammer als Sportdirektor wurde. Ein Interview über Verrauen, Argwohn, Härte und Stille.

Im Jahr 2014 öffnet das deutsche Fußballmuseum in Dortmund seine Pforten. Geschichte wird darin konserviert, präsentiert, spielerisch zugänglich gemacht. Große Geschichte. Fußball ist aber immer auch Gegenwart. Ein Gespräch mit Wolfgang Niersbach, dem Präsidenten des Deutschen Fußballbundes, über den Stand der Dinge. Über Löw und Vertrauen und Argwohn. Über Hoeneß und die Forderung nach Härte. Über Dutt und die Stille. Und über die Gewalt, die den Fußball bedroht.

Der erste Spatenstich wurde in der vergangenen Woche in Dortmund gemacht. Was würden Sie schon jetzt vom Jahr 2012 im Fußballmuseum ausstellen, Herr Niersbach?

Wolfgang Niersbach: Es sind ja nicht nur die positiven Momente, die im Museum gespiegelt werden sollen. Deshalb sicherlich das von den Bayern gegen Chelsea verlorene Champions-League-Finale, dieses Drama von München. Das war so ein Tag, der gezeigt hat, wie ungerecht der Fußball auch sein kann.

Fußball nimmt Sie noch immer gefühlsmäßig mit, nicht wahr?

Niersbach: Das muss und wird auch so bleiben. Dieses verlorene Finale war für mich ein noch stärkerer Moment als viele Momente des Jubels. Aber auch ich gehöre natürlich zu denen, die gerne zwei Titel gehabt hätten, einen für die Bayern, einen für die Nationalmannschaft …

Im Vergleich zum Bayern-Drama passierte das EM-Aus gegen Italien fast geschäftsmäßig…

Niersbach: Auf München bezogen, sage ich: So ungerecht kann Fußball sein. Aber an diesem Tag bei der EM in Warschau haben wir nicht unglücklich verloren, sondern weil die Mannschaft ihre Möglichkeiten nicht auf den Punkt genau abgerufen hat.

Seit diesem verlorenen Halbfinale wird der vorher nahezu von Kritik verschonte Bundestrainer aber mit ein wenig Argwohn betrachtet. Können Sie das nachvollziehen?

Niersbach: Nein, nachvollziehen kann ich das nicht. Eine kritische Aufarbeitung ist in Ordnung, aber von Argwohn ist beim DFB überhaupt keine Spur.

Sie haben zeitnah reagiert nach dem Aus. Sie haben Joachim Löw unterstützt. Ist aber das nicht immer auch ein Zeichen dafür, dass jemand Unterstützung benötigt?

Niersbach: Wenn ich gefragt werde, wie Sie mich jetzt fragen, und dann so Worte wie Argwohn fallen, dann muss ich doch darauf reagieren, oder? Es ist alles ganz sauber, ehrlich, transparent gelaufen. Ich habe Jogi schon vor dem Gruppenspiel gegen Dänemark gesagt, dass wir hundertprozentig hinter ihm stehen. Und ich ändere mein Urteil nicht. Joachim Löw ist kompetent, geradlinig, seriös. Er ist und bleibt für den DFB der ideale Bundestrainer.

Es gab zuletzt Siege in beiden WM-Qualifikationspartien, es wurde dennoch diskutiert…

Niersbach: Aber: Wo wird diskutiert?

Nun, Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat zum Beispiel gerade gesagt, auch dem Bundestrainer sei bekannt, dass er den Nationalspielern gegenüber härter sein müsse…

Niersbach: Den internen Umgang des Bundestrainers mit den Spielern, ich glaube, den kennt der Uli gar nicht so genau. Und die Schlagzeilen, die machen nicht wir beim DFB.

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Sie sind seit etwas mehr als einem halben Jahr im Amt. Sind sie schon angenervt von der Daueraufgeregtheit?

Niersbach: Ich weiß, das gehört dazu. Nehmen Sie zum Beispiel dieses Thema Überversorgung der Nationalspieler und gehen Sie doch einmal ins Archiv. Das haben die Zeitungen schon 1994 nach dem WM-Aus in den USA genau so geschrieben. Damals wurde behauptet: Es gibt sogar Leute, die den Spielern das Kaugummi aus dem Papier holen.

Die Nationalelf steht makellos in der WM-Qualifikation da. Wünschen Sie sich generell einfach mehr Zufriedenheit?

Niersbach: Wir sollten alle nicht vergessen, dass wir Weltranglisten-Zweiter mit der Nationalmannschaft sind. Und es kann doch nicht so sein, dass nach jeder EM 15 Trainer entlassen werden und nur der Gewinner bleiben darf. Deshalb ist der DFB gut damit beraten, auf Kontinuität zu setzen. Länger als Löw ist in Europa nur noch Morten Olsen in Dänemark Trainer. Alle anderen haben in dieser Zeit x-mal gewechselt. Ich frage Sie: mit welchem Erfolg denn? Ganz nebenbei: Spanien hat 44 Jahre gewartet, bis sie 2008 wieder einen Titel gewonnen haben.

Ein anderes Thema. Sie haben trotz der Lautstärke im Fußball einen sehr stillen Wechsel vollzogen. Matthias Sammer ist zu den Bayern gegangen, Robin Dutt ist gekommen. Ging es dabei auch um mehr Stille auf dem Sportdirektorenposten?

Niersbach: Nein. Das war eine Entscheidung für Qualität. Es sind unterschiedliche Typen. Der eine ist lauter, der andere leiser. Aber die Qualität war Ausschlag gebend. Ich hatte dabei auch engen Kontakt zu Reinhard Rauball (Präsident der Deutschen Fußball-Liga): Er hat zu mir gesagt: Wenn ihr Robin Dutt verpflichten könnt, dann sofort. Und wir wollten auch ganz klar einen Mann haben, der die Fußballlehrerlizenz hat. Unser Anspruch war, an dieser Stelle eine Trainerqualität zu bekommen. Dazu Erfahrung, auch in der Nachwuchsförderung und im Amateurbereich.

Matthias Sammer sieht man bei den Bayern auf der Bank neben Jupp Heynckes. Könnte Dutt neben Löw auftauchen?

Niersbach: Wir haben genügend Leute, die auf der Bank sitzen.

Gut. Zur Bundesliga, zum Außersportlichen. Da hat der Fußball Probleme. Spieler werden bedroht, es gibt Szenen der Gewalt außerhalb der Stadien, aber auch innerhalb…

Niersbach: Zunächst einmal haben wir im deutschen Fußball ein tolles Publikum. Die Bundesliga hatte in der vergangenen Saison rund 17,5 Millionen Zuschauer. In Relation dazu gab es also vergleichsweise wenige Zwischenfälle. Trotzdem müssen wir das Thema sehr ernst nehmen. Daran arbeiten DFB und DFL gemeinsam und intensiv. Nur im Schulterschluss mit Politik, Polizei und der großen Masse der friedlichen Fans können wir Lösungen finden und das Problem in den Griff bekommen.

Die DFB-Sportgerichtsbarkeit gerät immer wieder in die Kritik…

Niersbach: Aber was ist denn die Alternative? Wenn der Rasensturm beim Spiel Düsseldorf gegen Hertha zum Beispiel vor das Landgericht Düsseldorf gegangen wäre, wann hätten wir denn dann die Entscheidung bekommen? 2014, 2015, 2016? Nein, diese Sportgerichtsbarkeit ist unverzichtbar und alternativlos. Die handelnden Personen sind Volljuristen, die auch im Zivilberuf das Richteramt ausüben. Sie machen in diesem hoch emotionalen Sport mit kühler Ratio einen hervorragenden Job. Ihre Arbeit muss von allen Beteiligten respektiert werden. Und wir sollten in diesem Zusammenhang nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

Kritisiert werden vor allem Massen-Stadionaussperrungen. Viele Fans, die gar nichts getan haben, sind dann betroffen…

Niersbach: Noch einmal: Was ist denn die Alternative? Ein Wirt, der eine Konzession bis ein Uhr hat und seine Gäste dreimal bis zwei Uhr nicht hinaus bekommt, der kann der Polizei auch nicht einfach sagen: Ich bekomme die Leute nicht aus dem Laden. Dem sagt die Polizei: Du bist verantwortlich. Und so ist im Fußball auch der gastgebende Verein verantwortlich.

Eine letzte, eine persönliche Frage. Wenn Wolfgang Niersbach 2034 durch das Museum spaziert, 20 Jahre nach dessen Einweihung…

Niersbach: … mit 84 also…

Ja. Was möchte der 84-jährige Wolfgang Niersbach bei diesem Spaziergang von seiner Ära als DFB-Präsident im Museum finden?

Niersbach: Dass er seinen Beitrag dazu geleistet hat, die Faszination Fußball in Deutschland zu bewahren. Dass diese Tradition des deutschen Fußballs, dass dieser Stellenwert des deutschen Fußballs auch in seiner Amtszeit erhalten geblieben ist.