Frankfurt/Main. Am Mittwochabend leitet Harald Stenger zum letzten Mal nach einem Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft die Pressekonferenz. Der am Monatsende auslaufende Vertrag beim DFB wurde nicht verlängert.

Harald Stenger war um Fassung bemüht. Als aber Sami Khedira ein Loblied auf den unfreiwillig scheidenden Pressesprecher der deutschen Fußball-Nationalmannschaft anstimmte und vor allem die "menschlichen Vorzüge" des 61-Jährigen betonte, wurde dem früheren Journalisten sichtlich warm ums Herz. Seine Tränen konnte er nur schwer zurückhalten.

"Es hat Riesenspaß gemacht. Ich freue mich, nochmal im Kreise der Mannschaft zu sein", sagte Stenger sichtlich bewegt und bedankte sich bei Khedira. Der Profi von Real Madrid sagte vor laufenden Kameras "im Namen der Mannschaft", dass die Zusammenarbeit mit Stenger immer sehr angenehm war: "Er hat uns auch die schwierigen Situationen immmer unterstützt und uns im Umgang mit den Medien sehr gut beraten."

Pressesprecher mit Kultstatus

Auch bei seinem letzten Auftritt im Kreis der Nationalmannschaft, deren fester Bestandteil er seit 2001 war, wahrte der gebürtige Frankfurter die Contenance. "Ich möchte mich auch bei der sportlichen Leitung für die Unterstützung bis zur letzten Sekunde bedanken", sagte er in Richtung Bundestrainer Joachim Löw und Sportdirektor Oliver Bierhoff, die ihm am Ende nicht mehr helfen konnten und ihm vergangenen Woche die schlechte Nachricht, dass der Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) über den 31. August 2012 nicht verlängert wird, mitteilen mussten.

Mittwochnacht nach dem Länderspiel in seiner Heimatstadt gegen Argentinien moderiert Stenger, der nicht nur wegen seiner TV-Auftritte bei den Live-Pressekonferenzen der großen Turniere Kultstatus erreichte, seine letzte PK an der Seite von Löw. "Da ist natürlich eine gewisse Wehmut dabei, das ist doch klar. Ich habe elf großartige Jahre in diesem Team erlebt. Das geht unter die Haut", sagte der bei Spielern wie Journalisten gleichermaßen beliebte Medienprofi vor seiner Abschiedsvorstellung.

WM 2014 war Stengers Ziel

Anschließend will er erst mal seine Ruhe finden, denn der Abschied von der Nationalmannschaft fällt ihm unglaublich schwer. Zu gerne hätte Stenger bis zur WM 2014 weitergemacht, was ihm aber nicht vergönnt ist. Mit diesem Job habe er sich "rund um die Uhr voller Leidenschaft identifiziert. Das war für mich kein Beruf, sondern eine Herzensangelegenheit und eine Berufung".

Nach seinem letzten Dienst für den DFB, bei dem er in den kommenden Tagen irgendwie noch sein mit vielen Erinnerungen behaftetes Büro räumen muss, wollte er nur noch nach Hause und "ein schönes Glas Äppelwoi trinken". Wenige Stunden vor dem Spiel hatte er noch viele langjährige Weggefährten zu einer zünftigen Abschiedsfeier auf einem Weingut eingeladen.

Kamera zum Abschied

Über seine Zukunft hat sich Stenger, dessen Leben vom Fußball bestimmt war und ist, noch keine großen Gedanken gemacht. "Ab Donnerstag tauche ich ab, und dann werde ich in diesem Jahr nicht mehr zu sehen sein. Ich fahre erst einmal in Urlaub, um dort die Enttäuschung zu verarbeiten", sagte Stenger, der nahezu alle Journalisten, nicht nur die deutschen, mit Namen ansprechen konnte. Nicht nur deshalb erhielt er von der schreibenden Presse als kleines Dankeschön einen wertvollen goldenen Füllfederhalter mit seinen Initialien und von den Fotgrafen eine hochwertige Kamera geschenkt

Damit kann Stenger in seiner zweiten Heimat Frankreich oder möglicherweise auch in Brasilien 2014 schöne Schnappschüsse machen. Dass er am Zuckerhut live dabei ist, steht für den hemdsärmeligen und geradlinigen Medienprofi fest. Ob er seine zehnte WM-Endrunde aber wieder als Journalist oder in einer anderen Funktion erlebt, steht noch in den Sternen.

Stengers Nachfolge tritt Jens Grittner aus der DFB-Medienabteilung an, der erstmals beim EM-Qualifikations-Doppelpack im September gegen die Färöer und Österreich im Einsatz ist. Er tritt in große Fußstapfen. (sid)