London. Sabine Lisicki bezwang Maria Scharapowa, Angelique Kerber setzte sich gegen Kim Clijsters durch. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit stehen damit zwei deutsche Spielerinnen bei den All England Championships im Viertelfinale. An diesem Dienstag werden sie gegeneinander spielen.

Es war ein kalter, regnerischer Tag, aber die Ereignisse verdichteten sich zu einem phänomenalen Hochdruckgebiet. Sabine Lisicki fertigte Maria Scharapowa ab (6:4, 6:3), die aktuelle Nummer eins des Frauentennis, keine halbe Stunde später bejubelte Angelique Kerber einen Sieg im Schnelldurchgang gegen Kim Clijsters (6:1, 6:1). Damit landeten zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit zwei deutsche Spielerinnen im Viertelfinale der All England Championships, 25 Jahre nach Steffi Graf und Claudia Kohde-Kilsch. Aber im Gegensatz zu den beiden damals werden Lisicki und Kerber an diesem Dienstag gegeneinander spielen, im Schwarzrotgold gestreiften Duell.

Bereits bei den US Open 2011 hatten zwei Deutsche das Viertelfinale erreicht, Kerber und die zurzeit noch verletzte Andrea Petkovic, bereits damals ein eindrucksvoller Beweis einer spannenden positiven Entwicklung. Aber die Wiederholung in veränderter Besetzung ein Dreivierteljahr später hat wegen der Bedeutung Wimbledons eine andere Dimension.

Starker Auftritt gegen Scharapowa

Mit einem Ass bei einem zweiten Aufschlag durch die Mitte beendete Lisicki nach 80 Minuten ihren starken Auftritt gegen Scharapowa, und dieser letzte Schlag war der passende Kommentar zum gesamten Spiel. Sie servierte von Anfang bis Ende extrem hart und präzise, returnierte volle Kraft voraus, und bis auf eine kurze Phase Mitte des ersten Satzes war sie der großen Gegnerin immer mindestens einen Schritt voraus. Selbst eine 55-minütige Regenunterbrechung zu Beginn des zweiten Satzes konnte Lisicki nicht stoppen – im Gegenteil: Die Frau mit dem härtesten Aufschlag nutzte ihre stärkste Waffe konsequent. „Sie kam extrem feuernd zurück. Sie hat vieles besser gemacht als ich“, sagte die enttäuschte Scharapowa.

Auf der Tribüne wurden Lisickis sehenswerte Bemühungen neben deren Vater von einem prominenten Gast verfolgt: Basketball-Star Dirk Nowitzki. Vor ein paar Monaten hatte sie Nowitzki bei einem NBA-Spiel in Orlando getroffen; damals hatte sie ihm beim Siegen zugesehen, diesmal lief die Sache umgekehrt.

Lob für Lisicki

Zu den Dingen, die die Berlinerin hinterher selbst erwähnte, gehörte die bemerkenswerte Tatsache, dass sie auf dem Weg ins dritte Viertelfinale ihrer Karriere in Wimbledon jedes Mal die aktuelle Siegerin der French Open bezwang: Bei der Premiere 2009 war es die Russin Swetlana Kusnezowa, im vergangenen Jahr Chinas Li Na, diesmal Scharapowa, und ziemlich keck fügte sie hinzu, in Zukunft sollten ihr vielleicht die Siegerinnen aus Paris bei der Auslosung für Wimbledon aus dem Weg gehen. Scharapowa schien jedenfalls beeindruckt zu sein. Lisicki sei extrem stark, meinte sie. „Wenn sie öfter auf diesem Niveau spielt, dann gehört sie auf jeden Fall an die Spitze.“

Kaum anders hörte sich Kim Clijsters nach der Niederlage gegen Kerber beim letzten Auftritt ihrer Karriere bei den Championships an. „Sie hat unglaublich gespielt“, lobte die Belgierin, „und sie war in jeder Hinsicht zu gut für mich. Das war beinahe ein perfektes Match.“ Bei einer so erfahrenen Spielerin wie Clijsters ist sicher auch eine Einschätzung über das zu erwartende Kräfteverhältnis der beiden Deutschen im Halbfinale in guten Händen. Sie sagt, Lisicki habe bekanntlich einen tollen Aufschlag und spiele danach auch einen starken ersten Ball, Kerber hingegen bewege sich besser und habe ein kompletteres Spiel.

Kerber gehört zu konstantesten Spielerinnen

Und dieses komplette Spiel dominierte bisher im gemeinsamen Vergleich. Von vier Begegnungen mit Lisicki, zwei davon in diesem Jahr, verlor Angelique Kerber bisher nicht eine, und dass sie seit Monaten zu den konstantesten Spielerinnen des Frauentennis gehört, dürfte sicher auch eine Rolle spielen. Bei den US Open in New York sei sie noch von jedem Sieg geschockt gewesen, sagt sie, hier habe irgendwie jeder erwartet, dass sie die zweite Woche des Turniers erreichen werde, und deshalb habe der Erfolg diesmal eine noch größere Bedeutung als der von New York. Sie weiß, dass damals viele Leute dachten, der Erfolg sei ein Umstand glücklicher Fügung gewesen, aber von Glück haben kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Bundestrainerin Barbara Rittner war nicht nur wegen der Siege an sich stolz auf die beiden Damen ihres Fed-Cup-Teams, sondern vor allem wegen der höchst überzeugenden Art derselben. Heute im Viertelfinale wird sie nicht von einem zum anderen Platz flitzen müssen wie bisher bei der 126. Championships, diesmal wird es nur einen Schauplatz geben.

Wie das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Kandidatinnen ist? Lisicki sagt, man kenne sich ja schon lange, Kerber versichert: „Ich mach mein Ding und werde auch nach dem Spiel weiter freundlich zu Sabine sein.“ Zu hundert Prozent einig sind sie sich in jedem Fall bei der Einschätzung, das alles sei toll fürs deutsche Tennis. „Eine Deutsche wird im Halbfinale sein, das ist doch gut“, sagte Lisicki. Ein deutsches Hochdruckgebiet mitten im Regentief von Wimbledon.