Kolberg. . Die Dänen, am Sonntag nächster Gegner der deutschen Mannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft, leben weit abgeschieden in ihrem polnischen Quartier in Kolberg. Und wie in einer eigenen Welt. Doch auch dorthin kann gelegentlich etwas Ärger durchdringen.
Die Dänen sind frech. Jetzt haben sie auch noch etwas auf die Fenster ihres Mannschafts-Busses geschrieben, was während der strengstens überwachten EM niemand machen darf. In weißen Buchstaben prangt dort aber nun: „Vikinger uden frygt“ – Wikinger ohne Furcht!
Wikinger haben vor niemandem Angst. Auch nicht vor der Öffentlichkeit. Die dänischen Nationalspieler sind erst in der Nacht von ihrer 2:3-Niederlage gegen Portugal aus der Ukraine in ihr EM-Quartier an der polnischen Ostseeküste zurückgekehrt. Aber schon morgens um zehn Uhr rollt der Bus hinters Stadion der Stadt Kolberg.
Eine Atmosphäre wie in der Jugendvorstellung des Kinos
Nebenan liegt Gymnasium Nummer Zwei, die polnischen Schulen tragen Nummern statt Namen. Die Schüler haben frei, sie dürfen auf den Tribünen der kleinen Arena den Dänen zuschauen. Statt Bier und Würstchen gibt es Jumbo-Tüten mit Popcorn für drei Zloty, das sind 75 Cent. Eine Atmosphäre wie in der Jugendvorstellung des Kinos, und da betritt auch schon ein etwas älterer Harry Potter den Rasen.
Es ist Trainer Morten Olsen. Das Haar des 62-Jährigen ist mittlerweile weiß geworden wie Milch, aber die Augen hinter der runden Harry-Potter-Brille blitzen immer noch lustig. Trotz der 2:3-Niederlage, die Olsen wegen des dritten Gegentreffers in der 87. Minute „grauenhaft“ findet. Doch die Dänen lassen sich die Laune nicht verderben. „Dann müssen wir wohl gegen Deutschland gewinnen, oder?“, fragt der frühere Bundesliga-Profi. Wieder blitzen seine Augen.
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Die Ersatzspieler beginnen mit dem Training. Die elf Männer, die gegen Portugal zu Beginn auf dem Platz standen, tragen Turnschuhe statt Fußballschuhe und absolvieren nur ein Regenerations-Programm. Vorher bleiben sie am Zaun vor der Tribüne stehen, der nur knapp über Kniehöhe hinaus gewachsen ist, und plaudern.
William Kvist, der Mittelfeldmann vom VfB Stuttgart, spricht fehlerfreies Deutsch. Er lächelt und hat ein ruhiges Gesicht, auf dem sich das Lächeln so sanft ausbreitet wie es die Kreise auf der Oberfläche eines stillen Sees tun, nachdem man einen Stein hinein geworfen hat. „Sehr ärgerlich“, findet er die Niederlage gegen Portugal. Sein Gefühl für das letzte Gruppenspiel am Sonntag gegen Deutschland? „Gut, mein Gefühl ist gut.“ Wie sollte es bei diesem Lächeln auch anders sein.
Die Dänen haben sich bewusst für die Einsamkeit in Kolberg entschieden. Sie sind am weitesten weg von den Spielorten und allen anderen Teams. Pure Ruhe – schön ist es, aus der Welt zu sein. Genau für diesen ungewöhnlichen Weg liebt die Stadt ihre Gäste. Während des Trainings taucht eine polnische Fan-Gruppe mit einem 50 Meter langen Transparent auf: „Breaking News, Euro-Finale 2012: Denmark!“ Die Spieler stoppen die Bälle, legen eine kurze Pause ein und applaudieren ihren Gastgebern. Später gibt es noch Fotos mit den Schülern. Andere Teams wie die Russen, die Engländer oder die Holländer lassen sich vom Sicherheitsdienst abschirmen und reden kein Wort zuviel. Bei den Dänen redet jeder, der Lust hat.
Ärger um Bendtners Unterhose
Nicklas Bendtner zum Beispiel, der gegen Portugal beide Treffer der Dänen erzielte. Er muss schon deshalb reden, um seinem Erstaunen Luft machen. Bei seinem Lachen sieht man, dass er dental mehr als gut drauf ist. Mental allerdings gerade etwas weniger gut. Die Uefa will eine Geldstrafe gegen ihn verhängen. Der 24-Jährige sagt. „Ich habe doch nichts gemacht.“ Der Verband sieht das anders. Er habe beim Torjubel sein Trikot hochgezogen. Dadurch habe man den Bund seiner Unterhose gesehen, auf dem der Schriftzug eines englischen Wettanbieters stand. Verbotene Werbung! Bendtner beteuert: „Die Hose hat mir ein Kumpel geschenkt, sie sollte mir Glück bringen. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, dass da etwas drauf stand.“ Er schüttelt den Kopf.
Große Sorgen muss er sich nicht machen. Der dänische Verband hat bereits signalisiert, die Geldstrafe zu übernehmen. Ärger mit der Uefa? Na und? Dänische Funktionäre sind auch Wikinger. Furchtlos. Dann fährt der Bus ab.