Washington. . Tim Duncan und seine Kollegen der San Antonio Spurs reden nicht viel, fahren aber Sieg um Sieg ein und stehen kurz vor dem Einzug ins Finale der nordamerikanischen Basketball-Profiliga. NBA-Legenden wie Charles Barkley und Magic Johnson rechnen klar mit dem Einzug ins Endspiel.
Interviews mit Greg Popovich und Tim Duncan gelten unter amerikanischen Fernseh-Sport-Journalisten als hochgradig schmerzensgeldpflichtig. Wenn der grauhaarige Trainer der San Antonio Spurs und sein von Kopf bis Fuß 2,13 Meter messender langer Arm auf dem Spielfeld nach Siegen oder Niederlagen mit teilnahmsloser Miene in die Mikrofone sprechen, liegt subtile Sabotage in der Luft. Das kauzigste Spieler-Trainer-Duo der auf Mätzchen und aufgeblasene Egos spezialisierten Basketball-Profiliga NBA verweigert sich der starrummeligen Medienmaschine mit Klassikern wie diesem: „Wir wollten gewinnen, die anderen waren besser.“
Seit 15 Jahren geht das nun schon so. Solange bilden „Pop“ und „Timmy“ die Achse der Truppe aus dem texanischen Hinterland, die wie keine andere für Substanz und Professionalität steht. Keine Mannschaft einer nordamerikanischen Major League (Baseball, Eishockey, Basketball) hat in den vergangenen zehn Jahren ein besseres Sieg-Niederlagen-Verhältnis erzielt als San Antonio.
Schon vier Meistertitel
Vier Meistertitel (1999, 2003, 2005 und 2007) sind dabei bisher zusammengekommen. Vom fünften sind die Preußen Texas’ noch zwei Halbfinal-Siege gegen Oklahoma City Thunder und einen Triumph im Finale entfernt. Auch wenn die beneidenswert talentierten Jung-Männer um Kevin Durant und Russell Westbrook in der dritten von maximalen sieben Playoff-Partien der „Western Conference“ die Oberhand behielten, rechnen NBA-Legenden wie Charles Barkley und Magic Johnson klar mit dem Einzug von San Antonio ins Endspiel.
Miami und das Hollywood-Kino
Dort würde der Kontrast dann wirklich krass. Miami Heat, derzeit gegen die Boston Celtics dominant auf der Siegerstraße der Halbfinal-Serie der Ostküsten-Liga, ist durch seine Überflieger-Diven LeBron James und Dwayne Wade die Broadway/Las Vegas-Version der NBA geworden.
Jeder Spielzug ist mindestens Hollywood-Kino. Jeder Satz, wie die Amerikaner sagen, „bigger than life“. Größer als das Leben. LeBron James hält sich für den Auserwählten. „Chosen 1“ prangt in großen Buchstaben quer über seiner Schulter-Partie. Natürlich eintätowiert.
Auserwählt? Tim Duncan würde bei dieser Formulierung fremdschämend zu Boden schauen. Der 36-jährige, den sein schnörkellos und präzise wie ein Schweizer Uhrwerk tickendes Spiel in allen NBA-Bestenlisten auf historisch vordere Plätze geschoben hat, ist der Anti-LeBron. Der Gegenentwurf des NBA-Prototyps, den Liga-Manager David Stern aus Vermarktungsgründen so gern im Dutzend züchten würde. Duncan hat nicht mal einen Vertrag mit einer Basketball-Stiefelfirma. „Was würde dadurch besser?“, fragt der auf den Jungfern-Islands geborene Multi-Millionär.
Der Mann für den Star-Appeal
Greg Popovich geht so was runter wie Öl. Der 62-Jährige hat Duncan 1997 persönlich auf der Karibik-Insel St. Croix beim Wettschwimmen für San Antonio rekrutiert und nach und nach ein Team um ihn herum gebaut. Flügelspieler Manu Ginobili, ein nervenstarker, enorm wendiger Argentinier, und der pfeilschnelle Spielgestalter Tony Parker, der erste Franzose, der in der NBA zum Star wurde, bilden mit Duncan seit zehn Jahren ein blendend harmonierendes Dreigestirn.
Parker ist nebenbei auch noch für den Star-Appeal bei den San Antonio Spurs zuständig. Der Point Guard war mit der Schauspielerin Eva Longoria aus der Fernsehserie „Desperate Housewives“ verheiratet. Er leistete sich allerdings angeblich einen Seitensprung, es folgte die Scheidung. Bester Lesestoff auf den Klatschseiten der Zeitungen und ein Quotengarant in den Boulevard-Sendungen des Fernsehens.
Wenn alles gesagt ist
Am Donnerstagabend ging es aber um Basketball, und Duncan, Parker und Ginobili saßen schon vor dem letzten Viertel mit Handtüchern um den Hals auf der Ersatzbank. Oklahoma hatte nach zwei Niederlagen zum Auftakt in einem Gewaltakt früh das Ruder uneinholbar herumgerissen. Für Popovich das Zeichen, seine Leistungsträger zu schonen.
Nach 20 gewonnenen Spielen in Serie keine große Sache. „Die anderen haben ihre Freiwürfe getroffen, wir nicht. Die anderen haben ihre Dreier getroffen, wir nicht. Die anderen haben hart gespielt, wir nicht. Darum unsere Niederlage. Demnächst machen wir es besser“, sagte Popovich und erstickte so alle Nachfragen. Tim Duncan stand daneben und nickte in stiller Würde. Alles war gesagt.