Warschau. Im Gastgeberland Polen gibt es kurz vor der EM Aufregung unter behinderten Fußballfans: Der europäische Fußballverband hat die EM-Tickets vieler Anhänger annulliert, diese planen nun eine Sammelklage.

Der Europäischen Fußball-Union Uefa droht kurz vor dem Auftakt der Europameisterschaft (8. Juni bis 1. Juli) Ärger durch behinderte Fußballfans. Diese planen eine Sammelklage, weil die Uefa ihre EM-Tickets annulliert hat, weil sie ihre Behinderung nicht nachgewiesen hätten. "Es dürften in Polen mittlerweile so um die 300 sein", sagt Jerzy Litwin, der seit Jahren im Rollstuhl sitzt.

Der Fußball spielt in seinem Leben eine wichtige Rolle. Schon in den 70-er Jahren war er engagierter Anhänger von Lechia Danzig und verpasste kaum ein Spiel seiner Mannschaft. Eine Liebe, die auch nicht schwächer wurde, als ihn eine schwere Krankheit an den Rollstuhl fesselte.

"Gleich in der ersten Losrunde im Frühjahr 2011 habe ich mich um einen behindertengerechten Platz für ein Gruppenspiel in Danzig beworben. Ohne zu wissen, wer dort überhaupt spielen wird", erzählt Litwin. Er ist stolz darauf, dass Danzig Spielort der EM ist.

Erstattung steht noch aus

Einige Wochen später kam die gute Nachricht von der Uefa. "Lieber Fan, mit Freude informieren wir dich, dass du nur noch einen kleinen Schritt von der endgültigen Bestellung deiner Eintrittskarten für die Uefa Euro 2012 entfernt bist", heißt es in dem vom 27. April 2011 datierten Brief des Fußballverbandes. Er müsse das Geld nur noch bezahlen, bis spätestens 18. Mai 2011 müsse das Geld auf dem Uefa-Konto eingegangen sein.

Litwin überwies die 40 Euro fristgerecht. Dann die Enttäuschung. Im November 2011 teilte die Uefa mit, das Ticket sei annulliert und das Geld würde zurück erstattet. Erst auf Nachfrage erfuhr Litwin, dass er seine Behinderung nicht nachgewiesen habe. Litwin versichert, dass dies von ihm nie verlangt worden sei. Weder bei der Ticketbewerbung noch danach.

Wie die vergangenen Monate zeigten, ist Jerzy Litwin kein Einzelfall. Nachdem im Dezember die ersten polnischen Medien über dieses Problem berichteten, haben sich inzwischen weitere behinderte Fußballfans zu Wort gemeldet. "Einige gaben 1.300 Zloty (etwa 325 Euro, Anm. d. Red.) aus, da sie Eintrittskarten für mehrere Gruppen- und Finalspiele bestellten", sagt Litwin. Geld, das die behinderten Fußballfans von der Uefa trotz Ankündigung bisher nicht zurückerhielten.

Entschädigung gefordert

Viele haben sich mittlerweile zusammengetan, um gegen die "Diskriminierung behinderter Menschen durch die Uefa" vorzugehen, wie es ein betroffener Fußballfan gegenüber den polnischen Medien ausdrückte. Mit einer Sammelklage gegen den Fußballverband wollen sie ein Warnzeichen setzen. "Bei unserer Kanzlei haben sich bisher rund 60 Betroffene gemeldet. Täglich erhalten wir jedoch Mails weiterer geschädigter Fans", sagt der Krakauer Anwalt Lukasz Majewski, der die Sammelklage vorbereitet, der Nachrichtenagentur dapd.

Dass sie erfolgreich sein werden, davon ist Majewski überzeugt. "Die Argumente sprechen bisher für uns", sagt der Anwalt: "Für uns ist klar, dass die Eintrittskarten der betroffenen Fans weiter verkauft wurden. Aus diesem Grund werden wir vor Gericht eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3.000 Zloty (750 Euro, Anm. d. Red.) pro annullierter Eintrittskarte verlangen."

UEFA hüllt sich in Schweigen

Die drohende Sammelklage hat bei der Uefa bisher nichts bewirkt. Diese macht weiterhin die Fans für die Annullierung der Tickets verantwortlich und hüllt sich ansonsten in Schweigen. Eine Außendarstellung, die mittlerweile immer unglücklicher wirkt. Nachdem die polnische Presse in den vergangenen Wochen ausführlich über die Sammelklage der behinderten Fans berichtet hat, entschuldigte sich Juliusz Gluski in der vergangenen Woche in einer Sendung des Fernsehsenders TVP2 bei den Betroffenen. Ein Entgegenkommen, das dem polnischen Pressesprecher der Uefa einen Maulkorb einbrachte. "Ich habe die Anweisung bekommen, Anfragen zu der Angelegenheit weiter an die Verbandszentrale in der Schweiz zu leiten" offenbarte Gluski gegenüber der Sportzeitung "Przeglad Sportowy".

Und welche Stellungnahmen man aus Nyon erwarten kann, erfuhren die Journalisten der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Sie erhielten aus der Schweiz eine Mail, in der die Uefa wiederholt alle Vorwürfe zurückwies und stattdessen auf ihr Engagement für behinderte Fußballfans hinwies. Mit Artikeln von der eigenen Internetseite. (dapd)