Sakhir. . Heppenheimer übernimmt mit Sieg im umstrittenen Formel-1-Grand-Prix von Bahrain die Führung in der WM-Wertung
Der Finger ist wieder da, beinahe drohend, aber mit ihm die alte Souveränität. „Sanft und schnell“ hat sich Sebastian Vettel sportlich und mental wieder dahin zurückgerundet, wo er sich zuhause fühlt: Ganz oben auf dem Siegerpodest beim umstrittenen Großen Preis von Bahrain – und nach vier Rennen erstmals auch wieder an der Spitze der Formel-1-Weltmeisterschaft. Zwei weitere Überraschungen durften gestern ebenfalls mit Rosenwasser begossen werden: Kimi Räikkönen feierte mit Rang zwei die beste Platzierung seit seinem Comeback, Lotus-Kollege Romain Grosjean schaffte das erste Podium seiner Karriere.
Sebastian Vettel rollte mit seinem Red Bull ebenso wie der fünftplatzierte Nico Rosberg im Silberpfeil kurz nach dem Zielstrich aus. Dadurch, dass Lewis Hamilton nur Achter wurde, übernahm der Heppenheimer mit 53 Punkten auch die WM-Führung vor dem Briten (49) und seinem viertplatzierten Teamkollegen Mark Webber (48), Fernando Alonso und Jenson Button folgen mit je 43 Zählern.
„Ein großartiges Rennen, fantastisch!“
Diesmal war das Geschrei vom Kommandostand im Boxenfunk fast lauter als das von Sebastian Vettel nach dem 22. Sieg in seinem 85. Formel-1-Rennen: „Ein großartiges Rennen, fantastisch!“ Vettel sprach später von einem unglaublich harten Rennen: „Das war schwierig, aber es hat alles gepasst. Erwartet habe ich das nicht, aber ich fühle mich im Auto ehrlich viel besser. Die Balance ist wieder so, dass ich konstant an die Grenzen gehen kann. Dieser Sieg gehört meinen Mechanikern, die in den letzten Wochen Großes geleistet haben. Ich bin glücklich und stolz auf dieses Team.“ Das klingt etwas nach Marketing-Spruch, kommt aber aus tiefem Rennfahrerherzen.
30 Grad Asphalttemperatur, das war für die Jahreszeit etwas kühl, vor allem aber für die Reifenprognosen. Und trotzdem ein heißer Boden der Tatsachen. Die Formel 1 bleibt wetterfühlig, und alles kam mal wieder ganz anders als prognostiziert. Warum, wissen die Rennställe erst hinterher so richtig. Michael Schumacher, der Tageszehnte, war etwas genervt: „Man sollte sich fragen, ob die Reifen eine so wichtige Rolle spielen sollten. Wir fahren teilweise mit 60 Prozent des möglichen Tempos in die Kurven, weil du sonst bald nichts mehr hast und die Fetzen fliegen.“ Formel Unberechenbar.
Eins allerdings sah auf dem Bahrain International Circuit beinahe wieder so aus wie immer: Sebastian Vettel, der mehr oder weniger unter Zwang auf eine neue, ungeliebte Heckversion an seinem Red Bull umsteigen musste, hatte erstmals in dieser Saison in der Qualifikation die Nase vorn, und dann brauste er am Start in Championmanier allen davon. Als sich der Dunst eines unterhaltsamen Anfangsgeplänkels wieder legte, waren es schon gut fünf Sekunden Vorsprung, und nach Belieben kontrollierte der Heppenheimer sich, Auto und Rennen.
Michael Schumacher chancenlos
Wenn da nicht die schwarz-goldene Gefahr von Lotus gewesen wäre. Kimi Räikkönen und Romain Grosjean kamen von der Rennmitte an verdächtig näher, und ab Runde 30 war der finnische Rückkehrer dann ein großer dunkler Fleck in Vettels Rückspiegel. Die Abstände schmolzen unter die Sekundenmarke, und eingangs der Geraden konnte der Finne den Heckflügel querstellen, hatte 20 km/h Überschuss gegen Vettel. Die beiden Badminton-Kumpel übten den Schlagabtausch bei 300 km/h. Vettel wehrte sich weltmeisterlich, und Lotus unterlief ein Strategiefehler. Statt Räikkönen zwei Umläufe früher reinzuholen, gingen die beiden Rivalen gleichzeitig an die Box – und mit frischen Pneus hatte Vettel schnell wieder drei Sekunden Abstand. Würden die Reifen halten, oder strapaziert der Verfolgte sie wieder zu stark? Räikkönen lauerte. Ein Duell der Nerven und der Gummis. Vettel war gewarnt – und gewieft: „Die sind blitzschnell, das war einmal ganz knapp.“
Schanghai-Sieger Nico Rosberg startete als Fünfter, rutschte auf acht ab. Michael Schumacher war in der Qualifikation mit einem gerissenen Seilzug chancenlos, wechselte das Getriebe, startete von 22 – und war nach Dreivierteln der Distanz in die Nähe der Top Ten gelangt. Vier Runden vor Schluss bescherte ihm das Pech eines anderen das zweite WM-Pünktchen – der Reifenplatzer von Jenson Button. Nico Rosberg zeigte sich von seiner kämpferischsten Seite und holte sich am Ende seinen Startplatz fünf zurück, sprach aber von „Schadensbegrenzung“. Zum Schluss war ihm der Auspuff gebrochen.