Hannover. .
Dass die Fußballer von Hannover 96 von den großen und kleinen Herausforderungen des Alltags nicht genug bekommen können, ist nach jeder Trainingseinheit zu beobachten. Kaum sind die Profis vom Trainingsplatz in den ebenerdigen Lizenzspielertrakt der Arena eingebogen, ziehen Protagonisten wie Jan Schlaudraff die Schuhe aus und vergnügen sich bei einer Partie Fußball-Tennis auf einem winzigen Kunstrasenplatz in jenem Bereich, der bei Heimspielen als Interviewzone dient. Wie gut die Stimmung ist, davon kann auch Christian Pander erzählen, denn wenn er beispielsweise auf der Massagebank liegt, kommt es schon mal vor, dass ein Kollege den Rock-Klassiker „Thunderstruck“ von AC/DC einlegt.
Eine Anspielung darauf, dass die 96-Fans damit ihren neuen Liebling ehren. Mögen die Restriktionen für Anhänger aus Hannover am (heutigen) Donnerstag im Europa-League-Achtelfinale bei Standard Lüttich (21.05 Uhr/live Kabel eins) noch so groß sein, wird es sich die kleine Gruppe nicht nehmen lassen, die Melodie des Smash-Hits anzustimmen und statt „Thunder“ eben „Pander“ zu singen. Und auch wenn die Hard-Rock-Band nicht Panders Musikrichtung trifft, drückt es die Wertschätzung für einen aus, den die Öffentlichkeit nach einer scheinbar unendlichen Schalker Leidenszeit fast schon vergessen hatte.
Slomka und Schmadtke zeigen Geduld
Nun sind bereits 33 Pflichtspiele binnen acht Monaten für den meist auf die vordere Außenbahn vorgerückten Linksfuß gelistet, bei dem auf Schalke erst die Bandscheibe und das Becken schief standen, später Bänder und Sehnen nachgaben. Als nach einer 19-monatiger Zwangspause wegen einem Totalschaden im linken Knie mal sein Körper mit einem Auto mit Ferrari-Motor im Golf-Chassis verglichen wurde, hat er nicht widersprochen. Warum aber gibt das einst dauerverletzte Sorgenkind nun den stabilen Leistungsträger ab? „Es gibt keine besonderen Zaubertricks dafür“, erklärt der 28-Jährige, „es hat viel damit zu tun, dass in Hannover beide Seiten einen Weg gehen wollten, mich wieder gesund auf den Platz zu bringen.“ Im königsblauen Umfeld habe es halt oft „Drucksituation“ gegeben, sein neuer Arbeitgeber ihn dagegen „als Chance, nicht als Risiko gesehen“. Was hat Hannover, was Schalke nicht hatte? „Geduld!“
Trainer Mirko Slomka tätigte den ersten Anruf, Sportdirektor Jörg Schmadtke sprach Panders Problematik offen an: „Er war ins Trudeln geraten.“ Längst ist Panders erster leistungsbezogener Vertrag in einen besser dotierten, bis 2015 laufenden Kontrakt umgewandelt. „Es ist bei 96 alles eine kleine Nummer kleiner als bei Schalke, aber nicht weniger professionell“, sagt der Protagonist. Einer, der mehr Zeit in der Reha als auf dem Rasen verbrachte, hat Demut gelernt. „Ich bin oft aus der Reha mit ziemlich schlechter Laune nach Hause gefahren, wirklich mit null Bock im Gepäck.“ Pander ohne Pathos: „Die Schattenseiten des Geschäfts erlebt zu haben, war eine schwierige, aber menschlich sehr wichtige Erfahrung.“
Pander wieder der alte "Scharfschütze"
Der in Münster geborene und verwurzelte Profi – dort wächst sein zweijähriger Sohn auf – wird stets auf zwei Begebenheiten angesprochen: ein Tattoo mit dem Slogan „Never give up“ und der Ausflug ins musikalische Genre alias „Funky Pee“. Beides diente der Aufarbeitung seiner Verletzungspausen. Den Hobby-Rapper hat er danach, wie er im Rückblick verrät, als „Trick“ benutzt – nach seinem ersten von zwei Länderspielen 2007 in Wembley, als der Debütant aus vollem Lauf zum 2:1 gegen England traf. „Unheimlich viele Leute wollten danach tief in mein Privatleben hineinschauen, da konnte ich mein Hobby vorschieben, um für mich zu bleiben.“
Geblieben ist zudem seine Spezialität als Scharfschütze. Zuvorderst bei Standardsituationen. Sieben Torvorlagen sind für ihn diese Spielzeit nach demselben Strickmuster geführt: scharfer Freistoß oder Ecke – und Tor. Anregung hat er sich in jungen Jahren von einem gewissen Jörg Böhme geholt. Es sei um lapidare Dinge gegangen: „Wie trifft man den Ball am besten? Wo soll er hinkommen?“ Gegen die unbequemen Belgier könnten diese Bälle wieder Entscheidendes bewirken. In Abwesenheit des gesperrten Schlaudraff stände er in Lüttich auch am Elfmeterpunkt bereit. „Natürlich traue ich mir das zu, ich treffe ja auch von weiter weg.“ Sagt er und lacht. Wie die Kameraden beim Fußball-Tennis.