Ruhpolding. Nach der Saison tritt Biathletin Magdalena Neuner zurück. Letzter Höhepunkt ihrer Karriere ist die Weltmeisterschaft in Ruhpolding. Dort dreht sich alles um sie. Ihr Ziel ist hoch: sechs Starts, sechs Medaillen. Am Donnerstag geht's mit der Mixed-Staffel los.

Alles schien nach einer knappen Stunde gefragt, alles schien von Magdalena Neuner beantwortet zu sein. Da meldete sich ein norwegischer Journalist und wollte doch noch mal wissen, was schon längst gesagt worden war: Wie sie es denn schaffe, mit diesem gewaltigen Druck bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Ruhpolding umzugehen. Magdalena Neuner zeigte nicht die geringste Spur von Ärger und erklärte zum wahrscheinlich hundertsten Mal in diesen Tagen, dass sie den Erwartungsdruck bei dieser Heim-WM positiv sehe, dass dieser sie antreibe, noch schneller in der Loipe zu sein. Nur diesmal sagte sie es in fast perfektem Englisch, aber mit dem unverändert strahlenden Lächeln, das neben den überragenden sportlichen Erfolgen sehr viel zu ihrer immensen Popularität beigetragen hat. Weil es nicht aufgetragen ist, weil es aus ihrem Inneren zu kommen scheint.

Neuner will "bei der WM noch mal richtigen Spaß haben"

Es war eines der letzten Frage-Antwort-Spiele der Magdalena Neuner. Nach dieser Saison tritt sie zurück. „Ich freue mich darauf“, sagt die 25-Jährige, „Aber ehrlich gesagt, ich denke jetzt noch gar nicht daran. Hallo, hier bin ich. Ich will jetzt bei der WM noch mal richtigen Spaß haben.“ Ihr Ziel ist hoch bei dieser Weltmeisterschaft, bei der sich alles um sie dreht, bei der die Lena-Mania ausgebrochen ist. Sechs Starts, sechs Medaillen: Am Donnerstag (15.30 Uhr/ZDF und Eurosport) will sie die erste mit der Mixed-Staffel gewinnen. „Ich will Gold holen“, sagt sie und fügt mit diesem Magdalena-Neuner-Lächeln hinzu: „Warum sollte ich tief stapeln? Warum nicht nach den Sternen greifen?“

Die Fragestunde mit der besten Biathletin der Welt, die schon zwei olympische Goldmedaillen und zehn WM-Titel gewonnen hat, ist eine einzige Demonstration des positiven Denkens. Die Frau, die ihr kleines bayerisches Dörfchen Wallgau weltweit bei Millionen von Biathlon-Fans bekannt gemacht hat, hat für sich herausgefunden, dass Biathlon-Training mehr ist, als Tag für Tag viele Kilometer in der Loipe abzuspulen und viele Schüsse auf die Scheiben abzufeuern.

Mentaltraining heißt ihr Zauberwort. „Das bringt ein paar Prozent mehr“, glaubt sie. Den Namen ihres Psychologen verrät sie nicht, aber sie deutet dann doch an, wie er ihr in den vergangenen zwei Jahren geholfen hat, aus einem mentalen Tief, einem Anfangsstudium der Burnout-Erkrankung, herauszukommen. „Ich habe jemanden gebraucht, um die Scheuklappen abzulegen“, erzählt sie, „das Mentaltraining ist eine anstrengende Sache, weil es am Anfang nicht einfach ist, im stillen Kämmerlein in sein Inneres hinein zu horchen. Du musst selbst arbeiten, auf Gefühle eingehen, auf Gedanken. Du musst sie analysieren und auflösen.“

Knackpunkt waren die Winterspiele 2010 in Vancouver

Mit ihrem Mentaltrainer wird sie auch ihre wichtigste Entscheidung besprochen haben, mit 25 Jahren aufzuhören. Der Knackpunkt in ihrem sportlichen Leben waren die Winterspiele 2010 in Vancouver. Olympia hatte sie entgegengefiebert, aber es wurde zu einem Horror-Erlebnis. Obwohl sie mit zwei Gold- und einer Silbermedaille die erfolgreichste Biathletin war. „Ich habe mich wie ein Schaf auf dem Weg zum Schlachthof gefühlt“, beschreibt sie ihre Gefühle, als alle im Ziel an ihr zerrten und ihr nicht einmal erlaubt wurde, Glückwunsche von der nur wenige Meter entfernten Familie entgegen zu nehmen.

Während etliche Superstars wie die 44-jährige US-Schwimmerin Dara Torres oder die 50-jährige deutsche Kanutin Birgit Fischer alles dafür tun, um noch einmal olympische Luft zu atmen, scheint für Magdalena Neuner der Blick auf die Winterspiele 2014 in Sotschi genau das Gegenteil zu bewirken. Das muss und will sie nicht noch einmal haben. Stattdessen wird sie Privatier.

Was ihr neues Leben ohne Gewehr und Ski bringen wird, das weiß sie noch nicht. Nur dass es spannend wird. Aber sie brennt vor Neugierde, es herauszufinden. Am liebsten mit weiteren sechs WM-Medaillen im Trophäenschrank.