Frankfurt. . Fatmire Bajramaj wurde zum Star der Frauenfußball-WM 2011 im eigenen Land aufgebaut. Nach dem Viertelfinal-Aus war sie plötzlich das Gesicht des Scheiterns. Ihr Rückblick auf einen Sommer, den sich viele ganz anders vorgestellt hatten.
Es klingt schon etwas exotisch, was Fatmire Bajramaj über die zurückliegenden Weihnachtstage erzählt. Früher, als ihre Familie noch nicht in Mönchengladbach, sondern in Peja im Kosovo lebte, sei an Weihnachten gar nichts Besonderes passiert – wie unter Muslimen üblich. In Deutschland aber hätten sie die üblichen Bräuche angenommen und nutzten die Feiertage für Familientreffen – inmitten von Weihnachtsdeko. Aber: „Die glänzenden Geschenke sind leere Kartons. Nur als wir kleine Kinder waren, haben wir etwas bekommen, damit wir in der Schule mitreden konnten.“
Wer will, kann aus dieser Episode in der Familiengeschichte der Fatmire Bajramaj, die auch daheim nur „Lira“ genannt wird, ein Sinnbild fürs bewegende Jahr 2011 ableiten. Viel Verpackung, wenig Inhalt. Kaum eine symbolisiert besser den gescheiterten Spagat, dem sich das deutsche Frauen-Nationalteam anlässlich der Weltmeisterschaft im eigenen Land hingab, als das im Alter von vier Jahren nach Deutschland übersiedelte Glamourgirl. Einerseits Fußballerin des Jahres, andererseits nicht gut genug, um beim Viertelfinal-Aus auch nur eine Minute mitzumachen.
Die Werbe-Ikone
Ihr Gesicht taugt fürs Wellental, durch das die deutschen Sommermädchen gingen. Die Filmautorin Sung-Hyung Cho hatte ihre am 10. Dezember ausgestrahlte ZDF-Dokumentation „Nachspiel“ mit einer Szene von den Marketingtagen aus dem Januar begonnen: Fatmire Bajramaj wurde gerade geschminkt und ihr dabei gesagt: „Ihr seid doch eh‘ schon Weltmeister!“ Sie antwortete: „So einfach ist das nicht.“ Doch so etwas wollte damals niemand hören.
Je näher das Event in der Sommerpause der männlichen Domäne rückte, desto größer wurde der Hype. Omnipräsent in der Werbung immer wieder die Frau mit der schwarzen Mähne. Sie trug als Werbeikone entscheidend dazu bei, dass eine Lawine mit so vielen Erwartungen losbrach, die letztlich die Protagonisten selbst überrollte. Am 9. Juli waren mit einem 0:1 gegen Japan alle Träume geplatzt – auch ihre. Und: „Lira in love“ stand plötzlich in der Schlagzeile und dazu wurde das Konterfei ihres neuen Freundes gezeigt: Enis Alushi, Zweitligaprofi vom SC Paderborn.
Die 23-Jährige wurde die Geister nicht mehr los, die sie gerufen hatte. Sie hatte zuvor über High Heels und Desperate Housewives fabuliert und Sätze autorisiert wie: „Ich bin gerne eine selbstbewusste Tussi.“ Doch irgendwann stimmte das Verhältnis nicht mehr: Sie war zwar Hauptperson in Spots und auf Covern – aber Randfigur auf dem Rasen. Zu wenig für ihre Ansprüche. Zeit, das alles zu verarbeiten, blieb kaum: Die zwei Wochen nach der WM war sie mit ihrem Umzug von Potsdam nach Frankfurt beschäftigt. Im August wurde sie in einem Frankfurter Bankenhochhaus als neue Hoffnungsträgerin des 1. FFC Frankfurt präsentiert und dabei erklärte sie: „Ganz verarbeitet habe ich die WM noch nicht. Aber ich muss mir andere Ziele setzen.“
Das gelang: Im Verein überzeugte sie als beste Scorerin, und Frankfurts Manager Siegfried Dietrich sagte: „Sie wird noch viel Freude mit uns und wir viel Freude mit ihr haben.“ Im Nationalteam stand sie in allen Länderspielen nach der WM in der Startformation. Doch Anfang Dezember folgte der nächste Rückschlag, als sie sich vor dem Pokalspiel gegen ihren Ex-Klub Turbine Potsdam beim Aufwärmen die Muskelfasern im Oberschenkel riss. Tapfer lächelnd schrieb sie hernach Autogramme und posierte für Fotos. Sie kann ohnehin in Frankfurt kaum auf die Straße gehen, ohne dass sich Menschen nach ihr umdrehen.
Das verrückte Jahr zu charakterisieren, fällt ihr nicht leicht. Im DFB-Internetportal gestand sie: „Ich persönlich hatte mir von der WM mehr erhofft, aber es macht jetzt keinen Sinn, das zu diskutieren – ich habe mit diesem Sommer abgeschlossen.“ Den Winterurlaub hat sie dringend nötig. Sie hat sich die Nasenscheidewand begradigen lassen, nachdem die Nase schon dreimal gebrochen war und sie nur noch schlecht Luft bekam. Am heutigen Freitag fliegt Fatmire Bajaramaj dann mit der ganzen Familie in den Kosovo. Zurück zu den Wurzeln.