Kiew. Mesut Özil, Sami Khedira, Miroslav Klose und Per Mertesacker machen es vor: Sie stehen im Ausland unter Vertrag und haben nun eine längere Anreise zu Länderspielen. Auch viele andere deutsche Talente sind für ausländische Klubs interessant. Bundestrainer Löw sieht das positiv.
Mesut Özil und Sami Khedira kamen aus Madrid, Per Mertesacker reiste aus London an - und Miroslav Klose musste zur Untersuchung seines lädierten Knies extra aus Rom einfliegen: Die Stars der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sind im Ausland gefragt wie schon lange nicht mehr. Vier aktuelle Nationalspieler stehen derzeit bei Spitzenklubs in Spanien, Italien und England unter Vertrag. Bei vielen anderen Bundesliga-Profis - wie etwa Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Mario Gomez, Thomas Müller oder Mario Götze - stehen die Interessenten Schlange.
Eine Entwicklung, die Bundestrainer Joachim Löw sieben Monate vor der EM 2012 in Polen und der Ukraine auch ein klein bisschen stolz zur Kenntnis nimmt. 'Das ist ein gutes Gefühl, wenn unsere Spieler im Ausland gefragt sind. Das zeigt ja auch, dass die Nationalmannschaft, aber aber auch die Bundesliga-Vereine erfolgreich arbeiten', sagte Löw vor den abschließenden Länderspielen des Jahres gegen EM-Co-Gastgeber Ukraine in Kiew am Freitag (20.45/ARD und live im DerWesten-Ticker) und Vize-Weltmeister Niederlande vier Tage später in Hamburg (20.45/ZDF und live im DerWesten-Ticker).
Zuletzt Anfang 1990 hohes Ansehen deutscher Stars im Ausland
Am Dienstag hatte sich die DFB-Auswahl in Hamburg getroffen - und längst haben die deutschen Nationalspieler nicht mehr nur eine kurze Anreise. Dass Özil und Khedira beim spanischen Top-Klub Real Madrid unter Vertrag stehen, Klose seit Sommer bei Lazio Rom auf Torejagd geht und Mertesacker in London beim FC Arsenal einen neuen Arbeitgeber gefunden hat, sieht Löw durchaus als Vorteil für die DFB-Auswahl.
'Sie profitieren von so einem Schritt. Sie schöpfen daraus Selbstbewusstsein, können mit Erfolg, aber auch mit Rückschlägen besser umgehen', betonte Löw. Sie würden 'eine andere Sprache, eine andere Kultur, eine andere Mentalität kennenlernen, aber sie entwickeln sich auch sportlich weiter'.
Die Jahre, in denen deutsche Nationalspieler in den großen ausländischen Ligen derart begehrt waren, liegen lange zurück. Ende der 1980er- und zu Beginn der 1990er-Jahre genossen deutsche Profis wie Jürgen Klinsmann, Lothar Matthäus, Thomas Häßler, Rudi Völler, Jürgen Kohler, Stefan Reuter oder Andreas Brehme vor allem in Italien hohes Ansehen. Beim WM-Triumph 1990 gehörten in Thomas Berthold, Brehme, Matthäus, Klinsmann und Völler fünf 'Ausländer' dem Kader des damaligen Teamchefs Franz Beckenbauer an.
Junge deutsche Spieler sind wieder gefragt
Auch jetzt sind deutsche Fußballer durchaus wieder ein Exportschlager. Insbesondere das 19 Jahre alte Dortmunder Super-Talent Götze weckt aktuell viele Begehrlichkeiten. Von 40 Millionen Euro Ablöse war zuletzt die Rede, die angeblich der FC Arsenal bereit ist zu zahlen.
Aber auch die Stars von Bayern München - Schweinsteiger, Lahm, Müller, Gomez - werden immer wieder mit Topklubs aus dem Ausland in Verbindung gebracht. Auch für den Kölner Lukas Podolski soll es Angebote aus der Premier League geben, ebenso wie für den Dortmunder Kevin Großkreutz. Dass es diese Spekulationen gibt, freut Löw: 'Jahrelang war keiner der Nationalspieler gefragt. Deshalb ist das positiv zu bewerten.'
Jerome Boateng mit umgekehrtem Weg
Den umgekehrten Weg wie Özil und Co. war zuletzt Jerome Boateng gegangen. Er beendete sein Gastspiel bei Manchester City im Sommer und wechselte zum deutschen Rekordmeister Bayern München. Aber auch Boateng verdeutlicht stets, dass ihn der Wechsel nach England persönlich und sportlich hat reifen lassen.
Löw gibt sich bei der Entscheidung seiner Spieler pro oder contra Ausland zurückhaltend. Er werde einem Spieler 'nichts raten, ich sage ihnen aber schon, dass sie Vorsicht walten lassen sollen und dass ein Gespräch mit dem Trainer wichtig ist'. Bei Podolski etwa ist der Bundestrainer inzwischen der Meinung, 'dass Lukas jetzt die Reife hätte, im Ausland zu bestehen'. (sid)