Essen. . Marc-Andre ter Stegen und Bernd Leno stehen sich im Bundesligaspiel Borussia Mönchengladbach gegen Bayer Leverkusen nicht zum erstenmal gegenüber: Die beiden Torhüter verbindet eine uralte Rivalität.

Eine Anekdote über diese beiden, die keine schöne ist, geht so: Vor einem Länderspiel der U-19-Juniorennationalelf lagen Marc-André ter Stegen und Bernd Leno auf einem Zimmer. Der eine, ter Stegen, wollte schlafen, der andere, Leno, telefonieren. Angeblich haben sie sich deshalb gründlich in die Haare bekommen. Am Ende, so geht zumindest die Geschichte, musste jeder auf ein Einzelzimmer verlegt werden.

Dazu passt, obwohl er ja nur auf die überragende Qualität der beiden Nachwuchskeeper hinweisen wollte, ein Zitat von Matthias Sammer. Bernd Leno, heute 19 Jahre jung und die Nummer eins des Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen, gehörte vor zwei Jahren zum EM-Aufgebot der deutschen U 17. Er kam nur nie zum Einsatz, denn im Tor stand ter Stegen, inzwischen ebenfalls 19 und der große Rückhalt von Borussia Mönchengladbach. Also sprach DFB-Sportdirektor Sammer: „Ter Stegen war wie Kahn, Leno wie Lehmann. Wir haben uns damals für ter Stegen entschieden, aber Leno hätte wohl in jedem anderen Land als Nummer eins gespielt.“

Kahn und Lehmann also.

Heute nun treffen die beiden aufeinander. Borussia Mönchengladbach, das so fulminant in die Saison gestartet ist, hat es mit Bayer Leverkusen zu tun, dessen Start, nun ja, genau das ist: nun ja. Vordergründig mag es also ein Spiel mit zwei Keepern sein, die im Umgang miteinander durch ihre lange Rivalität im Jugendbereich geprägt sind. Tatsächlich aber ist diese Partie das Musterbeispiel einer kleinen Revolution. Keine Regel ist in der Bundesliga so gründlich außer Kraft gesetzt worden wie die, dass es sich bei Torhütern wie mit einem guten Rotwein verhält: je älter, je besser.

Leno und ter Stegen, dafür spricht viel, werden ihre Rivalität angesichts ihres gewaltigen Potenzials wohl noch jahrelang ausleben können. Sie gelten als die talentiertesten unter den vielen talentierten Bundesliga-Keepern. Nicht wenige erwarten in absehbarer Zeit einen Zweikampf um die Rangordnung in der Nationalelf – wenn auch erst hinter dem unangefochtenen Manuel Neuer.

Tatsächlich ist in der Liga auf der Torwartposition vieles in Gang gekommen. Manuel Neuer, 25, und René Adler, 26, die vor rund vier Jahren in ihren Vereinen die Routiniers Frank Rost und Jörg Butt verdrängten, gelten heute als Wegbereiter. Inzwischen sind nicht nur Leno und ter Stegen dazu gekommen. Ron Robert Zieler (Hannover, 22 Jahre), Kevin Trapp (Kaiserslautern, 21), Oliver Baumann (Freiburg, 21), Sven Ulreich (Stuttgart, 23), Ralf Fährmann (Schalke, 23), Thomas Kraft (Berlin, 23) – alle jung, alle Stammtorhüter.

Zufall? Unsinn. Dahinter stecken vor allem zwei Entwicklungen: Seit Neuers und Adlers kometenhaften Aufstiegen bringen mehr Trainer den Mut auf, etablierte Keeper auszuwechseln und die Jungen ins Spiel zu bringen. Wichtiger aber: Die Ausbildung der Keeper hat sich gegenüber früher drastisch verbessert. Spieler wie Leno und ter Stegen sind in den Leistungszentren der Bundesligisten groß geworden, sie haben in der Junioren-Bundesliga und in den DFB-Nachwuchsteams gespielt. Sie sind fußballerisch besser ausgebildet als alle vorherigen Generationen und prägen deshalb ein ganz neues Torwartspiel. Im Idealfall geht damit die Entwicklung der Persönlichkeit einher: Die heutige Generation, hat Bundestorwarttrainer Andreas Köpke erklärt, sei weit selbstbewusster als junge Spieler es früher waren. Sie sei fokussiert, aber nicht verkrampft.

Die beiden, die sich heute in Mönchengladbach gegenüber stehen, haben jedenfalls ihre ersten Feuertaufen bravourös bestanden: Gladbachs Trainer Lucien Favre brachte Marc-André ter Stegen letzte Saison mitten im dicksten Abstiegskampf, größer kann die Nervenprobe für einen Jungen von 19 Jahren kaum sein. Am Ende war es der wichtigste Schritt zur Rettung. Und Bernd Leno scheint sich in Leverkusen nicht einmal dadurch aus der Ruhe bringen zu lassen, dass alle in ihm nicht mehr die Leihgabe vom VfB Stuttgart, sondern auf Jahre hinaus den Nachfolger von René Adler sehen.

Mag sein, dass auch Bernd Leno und Marc-André ter Stegen aus der Fassung zu bringen sind. Aber ein Doppelzimmer werden sie sich so schnell nicht mehr teilen müssen.