Rom. Der Schwimm-Weltverband rudert zurück: Ab Januar sind die neuen High-Tech-Anzüge verboten. Dann sind nur noch Badehose und Badeanzüge in Textil bis oberhalb der Knie erlaubt. Bei den Frauen müssen die Anzüge schulterfrei sein. Es gibt viel Beifall aus der Szene.

Rolle rückwärts im Wasser. „Pack die Badehose ein”, heißt der Evergreen von Conny Froboess aus dem Jahr 1951. In den vergangenen Monaten hätte der Text zwar immer noch am Wannsee seine Bedeutung gehabt, doch im Hochleistungsschwimmen hatte die gute alte Badehose seit der Entwicklung von High Tech-Anzügen ausgedient. Jetzt hat der der Schwimm-Weltverband Fina in die Kleiderordnung eingegriffen. Auf dem Kongreß in Rom wurde mit dem Votum von 180 Nationen bei nur sieben Gegenstimmen beschlossen, dass die neuen Anzüge bei der Weltmeisterschaft in der italienischen Hauptstadt noch erlaubt sein werden, aber ab 1. Januar 2010 neue Regeln gelten werden. Dann sind nur noch Badehose und Badeanzüge in Textil bis oberhalb der Knie erlaubt. Bei den Frauen müssen die Anzüge schulterfrei sein.

Radikale Lösung

Mit einer Regeländerung war nach der immer lauter gewordenen Kritik von Schwimmern und Trainern zu rechnen. Allerdings kommt die Radikalität der neuen Lösung überraschend. Demnach dürfen die Anzüge nur noch aus reinem Textil bestehen und nicht – wie vorher spekuliert wurde – mit einem Anteil aus Polyurethan.

„Ich bin froh, dass es vorbei ist mit dem Wettrüsten der Hersteller”, sagte Lutz Buschkow, der Sportdirektor des Deutschen Schwimm-Verbandes, „jetzt geht es endlich wieder zurück zu den Ursprüngen des Schwimmens. Ab 1. Januar beginnt eine neue Zeitrechnung.” Auch Bundestrainer Dirk Lange begrüßte die Entscheidung: „Das ist das, was wir uns gewünscht haben.”

Kritik an Wunderanzügen

Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen hatte schon bei den Deutschen Meisterschaften vor vier Wochen in Berlin Kritik an den Wunderanzügen geübt, obwohl sie selbst in ihrem neuen Adidas-Modell Hydrofoil zwei Weltrekorde geschwommen war. Sie habe sich wie ein Schnellboot gefühlt, sagte sie und sprach sich dafür aus, die Anzüge wieder zu verbieten. Die 25-jährige Berlinerin wies darauf hin, dass das Schwimmen so für den Nachwuchs kaum noch erschwinglich sein würde. Ein Anzug kostet 400 Euro. Ein spitzer Fingernagel reicht, um ihn zum Platzen zu bringen. Und die Haltbarkeit der „schnellen Pelle” ist auch bei noch so vorsichtigem Anziehen von schier unglaublich kurzer Haltbarkeit und wird so zu einem sündhaft teuren Wegwerf-Produkt.

„Wenn ich den Anzug zwei- bis dreimal getragen habe, verliert er seine Wirkung”, sagt Steffen. Dann entwickelt der Schwimmer nicht mehr solch einen Auftrieb.

In Rom greift die Neuregelung noch nicht. Und so wird es eine WM der Rekorde geben. Rekorde, die erheblich besser sein werden als die Zeiten, an denen sich Schwimmer und Zuschauer ab 1. Januar 2010 erst wieder gewöhnen werden müssen. Über 130 Weltrekorde sind seit Einführung der neuen Anzüge gebrochen worden, im Foro Italico werden ab Sonntag etliche hinzukommen.

Chancengleichheit

Der Weltverband hat für die WM Chancengleichheit versprochen. Aber die Realität sieht anders aus. Ausgerechnet einige Weltstars, die noch in Peking bei den Olympischen Spielen mit dem Speedo Racer das neueste Modell zur Verfügung hatte, müssen mit Nachteilen rechnen. Andere Hersteller haben mit der zweiten Generation der Anzüge Speedo längst überholt.

Der achtfache Olympiasieger von Peking, Michael Phelps, hat einen hoch dotierten Vertrag mit Speedo und wird so in Rom nicht mit dem besten Material an den Start gehen können. Der US-Amerikaner will trotzdem sechs Weltmeister-Titel holen. Ab 1. Januar 2010 zieht er dann wieder eine Badehose an. „Ich war immer dafür, dass sich Training und harte Arbeit auszahlen sollen”, sagte Phelps gestern in Rom, „endlich geht es wieder um Leistung und nicht um Technologie.”