Kopenhagen. Als dritter Deutscher nach Jan Ullrich und Bert Grabsch hat der 26-jährige Tony Martin die Goldmedaille im Einzelzeitfahren bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft gewonnen. Martin siegte vor dem Briten Bradley Wiggins.
Tony Martins Traum von Gold im Einzelzeitfahren der Straßenrad-Weltmeisterschaft ist in Erfüllung gegangen. Der 26-Jährige erteilte der versammelten Elite um Titelverteidiger Fabian Cancellara eine Lehrstunde und bestätigte seine Favoritenrolle eindrucksvoll. Martin ist insgesamt erst der dritte deutsche Zeitfahrweltmeister. Vor ihm hatten bereits Jan Ullrich (1999, 2001) und Bert Grabsch (2008), der diesmal Vierter wurde, den Titel errungen. 'Ich habe in den vergangenen Tagen gefühlt, dass ich gut drauf bin. Für mich ist ein Traum wahr geworden, es ist unglaublich', sagte Martin nach der Zielankunft.
In 53:43,85 Minuten setzte Martin eine unerreichbare Marke, riss bei der Zieldurchfahrt jubelnd die Arme nach oben und fiel seinem Betreuer Jan Schaffrath entkräftet in die Arme. Der Schweizer Cancellara hatte bereits 1:20,59 Minuten Rückstand auf den gebürtigen Cottbuser und wurde nach einem Fahrfehler in einer der letzten Kurven nur Dritter. Auf den Silberrang kam der ebenfalls hoch gehandelte Brite Bradley Wiggins mit einem Rückstand von 1:15,83 Minuten. Nach zweimal Bronze in den Jahren 2009 und 2010 und zugleich zwei Niederlagen gegen Cancellara gelang Martin diesmal die Krönung.
Mit dem Etappensieg bei der Tour de France und dem Tageserfolg bei der Vuelta in Spanien ist dies der größte Triumph in der Karriere von Tony Martin. Er hatte in diesem Jahr, genauso wie Ullrich bei seinem ersten Titel, die Vuelta genutzt, um für die WM in Schwung zu kommen. Er ist damit auch der heiße Sieganwärter für Olympia 2012 in London, seinem nächsten großen Ziel.
Hoch konzentriert ging Martin von der Startrampe, blies noch einmal die Wangen auf, bevor er sich rasch in die aerodynamisch perfekte Sitzposition begab. 1:30 Minuten später ging auch sein großer Rivale Cancellara auf den Kurs. Martin suchte in jeder Kurve die Ideallinie und war schon bei der ersten Zwischenzeit zehn Sekunden schneller als der Schweizer. Unwiderstehlich nahm der 26-Jährige der Konkurrenz weitere Zeit ab, auch sein vermeintlich stärkster Widersacher verlor Meter um Meter.
Der gebürtige Wittenberger Grabsch zeigte ebenfalls eine prächtige Leistung und lag nach der ersten von zwei Runden lange auf Platz eins. Erst Martin, der Grabschs Zeit pulverisierte, und Cancellara verdrängten den 36-Jährigen, dem am Ende gut elf Sekunden zu Bronze fehlten. Grabsch war in diesem Jahr der einzige Fahrer, der Martin in einem Zeitfahren geschlagen hatte - bei den deutschen Meisterschaften Ende Juni.
Rolf Aldag, Sportdirektor bei Martins Rennstall HTC-Highroad, hatte noch vor dem Rennen Titelverteidiger Cancellara höher eingeschätzt. 'Er ist für mich der Favorit', sagte er. Die Daumen drückte Aldag aber seinem Schützling: 'Hoffentlich ist Tony der Bessere, ich habe ihn noch nie so selbstbewusst erlebt. Ich hoffe auf gleiche Bedingungen und einen fairen Weltmeister.' Den gab es, denn die Fahrer wurden vom Regen verschont.
Der Zeitfahrtitel wird Martin einen Schub geben, da war sich Aldag sicher. 'Wenn er es schafft, wird es nicht bei einem bleiben. Es wäre ein Initialtitel. Tony hat die Chance, in den nächsten fünf bis sieben Jahren zum Star zu werden', sagte der 43-Jährige.
Fabian Cancellara hatten in der ganzen Saison die großen Rennsiege gefehlt. Bei den Klassikern im Frühjahr demonstrierte er nicht die Dominanz wie 2010 und auch die wichtigsten Rundfahrten gingen ohne Tageserfolg des Schweizers zu Ende. Dies war letztlich mehr als nur ein Indiz für die veränderten Kräfteverhältnisse. Von Vorteil war für den Deutschen zudem, dass der angekündigte Regen ausgeblieben war, denn das wäre ein klarer Nachteil für Martin gewesen. Cancellara gilt als risikobereiter.
Am Donnerstag ist bei der Rad-WM Ruhetag, bevor ab Freitag in Rudersdal die Straßenrennen beginnen. Dort suchen zunächst die Juniorinnen und die U23-Männer neue Titelträger. (sid)