Daegu. .
Kurz vor Mittag ist Schluss mit luftig. Die Kameraleute drängen sich im Sportmuseum von Daegu um Tyson Gay, von draußen drückt die schwüle Luft herein, und das Atmen fällt immer schwerer. Der Sprinter, der mit 9,69 Sekunden den US-Rekord über 100 Meter hält und der 2007 bei der WM in Osaka drei Goldmedaillen gewann, ist verletzt. Er hat seinen Start bei der WM im südkoreanischen Daegu, die am Samstag beginnt, abgesagt. Trotzdem hat sein Sponsor ihn einfliegen lassen, der Leichtathletik fehlen die Stars.
Tyson Gay spricht so leise, dass man ihn sich am liebsten ans Ohr halten möchte. Natürlich wäre er Sonntag gerne gegen Usain Bolt, den Sprint-König aus Jamaika, angetreten. Aber leider, leider gehe das erst bei Olympia 2012 in London, denn vor November sei an Training nicht zu denken. Dann wird Gay von seinem Sportartikel-Ausrüster sanft aufs eigentliche Thema gedrängt: Sicher, seine Erfolge habe er auch den neuen Sprintschuhen zu verdanken. Ganz leicht seien die, nur 140 Gramm. „Das gibt mir ein gutes Gefühl. Echt!“
Am Himmel jagen Wolken vorbei, grau wie Stahlwolle. In der Dongseongno-Straße im Zentrum kümmern sich die Koreaner um das, was sie gerne tun: Einkaufen. Sie machen es lächelnd. Ein Glitzer-Palast steht neben dem nächsten, die Straßen der 2,5-Millionen-Stadt sind riesig. Über den grünen Fußgängerampeln blinkt die Zeit von 30 Sekunden bis zum Rot herunter. Die 30 Sekunden reichen knapp, um die acht Spuren zu überqueren. In den Seitengassen schrumpfen auch die Läden, bis nur noch ein Verkäufer hineinpasst. Es gibt Fische, die man nie gesehen hat, kandierte Früchte, deren Namen man nicht kennt, Dinge auf dem Grill, die man vielleicht lieber nicht essen möchte.
Es gibt alles, nur für die Leichtathletik-WM scheint sich rund um die Dongseongo-Straße niemand zu interessieren.
Leichtathletik NRW Open
Zion Armstrong stört das in diesem Augenblick wenig. Der Korea-Chef von Adidas bedankt sich bei Gay für den Auftritt. Armstrong, dessen Gesicht nicht mehr ganz in der Jugend zuhause ist, ist einer der Manager, die die WM ins Land geholt haben. „Südkorea ist der drittgrößte Sportmarkt Asiens“, nennt er den Hauptgrund. China hatte 2008 Olympia, Japan 2007 die WM, jetzt sei eben Südkorea dran mit dem Geldverdienen. Der Umsatz seiner Niederlassung habe in den ersten sechs Monaten des Jahres bereits um 25 Prozent zugelegt, so Zion Armstrong.
Und er erläutert, wie das funktioniert. Auf der einen Seite fördert das Unternehmen den Breitensport. „Laufen ist unser Schwerpunkt“, sagt Armstrong. Also sponsert er die Marathons des Landes, nimmt aber zugleich Top-Läufer unter Vertrag. Zum Beispiel Tae Kyung Park. Außerhalb Südkoreas kennt den Hürdensprinter niemand, der es 2011 mit einer Zeit von 13,66 Sekunden unter die 100 Besten der Welt geschafft hat.
Park weiß, dass andere die Medaillen unter sich ausmachen. „Aber der WM-Start im eigenen Land wird ein sehr emotionales Erlebnis für mich und die Zuschauer“, glaubt er. Armstrong glaubt das auch, deshalb hat er dafür gesorgt, dass Park die Schuhe mit den drei Streifen beim Rennen tragen wird.
Keine Medaille in Sicht
Tyson Gay ist verschwunden, und rund um die Dongseongo-Straße dämmert es bereits, die Lichter der Bars funkeln. Im Fernsehen läuft Baseball. Die Mannschaft von Daegu heißt nicht Daegu, sie heißt nach ihrem Sponsor: Samsung Lions. Samsung schlägt Hyundai, und die Menschen lächeln immer noch ihr angenehmes Lächeln, das sie bestimmt erst vor dem Schlafengehen in den Schrank legen und am nächsten Morgen sofort wieder herausholen.
Sie tragen es sicherlich auch im Stadion, das 60 000 Plätze hat; egal, wie ihre Stimmung wirklich ist. Eine Medaille für die Gastgeber ist nicht in Sicht, aber Armstrong freut sich: „Die WM ist gut für das Land und gut für uns.“ Ärgerlich ist nur eins: Vier Stunden nach dem Auftritt von Tyson Gay zeigt Armstrongs Konkurrent Puma, was er kann: Die Firma präsentiert Usain Bolt, und der ist noch nicht einmal verletzt. Harte Bandagen, beim Kampf um den drittgrößten Markt Asiens ist Schluss mit lustig.