Aachen. Doping-Affäre, Verletzungspech und ein sportlicher Absturz: Deutschlands erfolgsverwöhnte Dressurreiter sind in die Krise geritten. Beim Chio in Aachen kam Heike Kemmer mit ihrem Wallach Bonaparte als beste Deutsche in der Kür gerade mal auf Rang fünf.
Nach der Sperre für Isabell Werth und der Verletzung bei Ulla Salzgebers Pferd Herzruf's Erbe hat die Stimmung einen neuerlichen Tiefpunkt erreicht. "Es ist in letzter Zeit Schlag auf Schlag gekommen. So viele Einschläge sind nicht normal", meinte Dressur-Bundestrainer Holger Schmezer (Verden). Für die Europameisterschaften im englischen Windsor (25. bis 30. August) hat der Coach die Goldmedaille abgeschrieben: "Die Niederländer sind stark wie nie. Wir müssen jetzt sehen, dass wir den zweiten Platz halten."
Gefeierter Reiter in Aachen war Steffen Peters. Der in Deutschland geborene Amerikaner, der 1985 nach San Diego übergesiedelt war, gewann mit seinem elf Jahre alten Wallach nach Grand Prix und Special auch die Kür mit 85,600 Prozent. "Das Publikum hat einen Auswanderer toll unterstützt", sagte Peters. Die dreimalige Olympiasiegerin Anky van Grunsven (Niederlande/84,500) belegte mit Salinero Platz zwei, und dessen Landsmann Hans Peter Minderhood (80,000) wurde mit Nadine Dritter. Der deutsche Meister Matthias Alexander Rath (Kronberg/76,350) blieb als Siebter mit Sterntaler im Rahmen der Erwartungen. Ellen Schulten-Baumer (Rheinberg/73,250) fiel mit Donatha auf Rang neun zurück.
Werth wurde vermisst
Schmerzlich vermisst wurde die fünfmalige Olympiasiegerin Werth. Nach der positiven Doping-Probe bei ihrem Pferd Whisper am 30. Mai ist die 39-Jährige suspendiert und muss mit einer Sperre von bis zu zwei Jahren rechnen. Hinweise, wonach das Hauptverfahren gegen die Dressur-Queen am Donnerstag eröffnet werden soll, wollte der Weltverband FEI nicht bestätigen. Unerwartete Unterstützung erhielt Werth durch FEI-Präsidentin Prinzessin Haya. "Ich glaube nicht, dass Isabell Werth eine Betrügerin ist", sagte die Ehefrau des Herrschers von Dubai dem WDR. Schuld habe der Veterinär: "Ich glaube, sie ist von ihrem Tierarzt schlecht beraten worden und dass sie zum Wohl ihres Pferdes gehandelt hat. Ob das richtig oder falsch ist, muss das Tribunal entscheiden."
Reiter-Präsident Breido Graf zu Rantzau verteidigte die Position des deutschen Verbandes: "Wir müssen eine neutrale Stellung einnehmen, weil wir durch die Doping-Affäre nicht mehr so viel Kredit beim Publikum haben", sagte zu Rantzau. Die Möglichkeit, dass die FN wie in anderen Fällen bei einer zu milden Strafe für Werth vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zieht, ließ der FN-Präsident offen: "Ich habe Vertrauen in die Rechtssprechung des Tribunals bei der FEI."
Großes Pech hatte Olympiasiegerin Salzgeber bei ihrem Comeback nach einer mehrjährigen Pause bei internationalen Großturnieren. Als die 50-Jährige am Samstag zum Special einreiten wollte, begann ihr zehn Jahre alter Wallach plötzlich zu lahmen, sodass Salzgeber ihr Pferd zum Schrecken der Zuschauer aus der Arena führen musste. "Ich bin am Boden zerstört. Es gab überhaupt keine Anzeichen, dass irgendetwas nicht stimmen könnte", sagte Salzgeber, die sofort die Rückreise ins bayerische Bad Wörishofen antrat. Nach einer ersten Untersuchung wurde eine Zerrung am Fesselkopf diagnostiziert. Das Pferd fällt meherere Wochen aus und wird wohl nicht mehr rechtzeitig vor der EM fit. In der Vielseitigkeit hingegen hat die deutsche Mannschaft ihre internationale Vormachtstellung unterstrichen und zum dritten Mal in Folge im Nationenpreis triumphiert. Andreas Dibowski aus Egestorf setzte sich zudem mit Serve Well in der Einzelwertung durch. Ingrid Klimke (Münster) mit Butts Abraxxas und Dirk Schrade (Warendorf) mit King Artus machten als Zweite und Dritter den deutschen Dreifach-Triumph perfekt. (sid)