Im Vorfeld der 96. Tour de France präsentierte sich Lance Armstrong vom Team Astana selber als großen Favoriten. Doch der eigentliche Favorit ist sein Kapitän, Alberto Contador.

Wenn im Fürstentum Monaco am Samstag der Vorhang zur 96. Tour de France fällt, steht in Lance Armstrong ausgerechnet ein Mann der alten Garde mit zweifelhaftem Ruhm mitten im Rampenlicht. 1441 Tage nach seinem Abschied im Gelben Trikot inszeniert der siebenmalige Toursieger seine Rückkehr wie ein Showstar. Ob die "Grande Boucle" mit dem umstrittenen "Cowboy" aus Texas ihren Ruf als Skandal-Rundfahrt ablegen kann, ist doch eher zweifelhaft. So steht die Tour nach zahlreichen Dopingskandalen in den letzten drei Jahren auf dem 3459,5km langen Weg von Monaco nach Paris wieder einmal vor einer Reise ins Ungewisse.

Die Zeiten haben sich seit Armstrongs Abschied 2005 zweifelsohne geändert, nicht aber der Amerikaner selbst. "Ich bin bereit", kündigt der 37-Jährige vor dem Auftakt-Zeitfahren am Samstag über 15,5km fast schon in gewohnter Manier an: "Ich habe gut trainiert. Meine Form stimmt. Mein Ziel ist es, vorne mit dabei zu sein. Ich würde meine Chancen auf 3:1 beziffern." Offiziell ist der Texaner nur die Nummer zwei im Team. Dass Armstrong aber den Wasserträger für den Tourfavoriten Alberto Contador gibt, scheint ausgeschlossen.

Contador ist Kapitän - nicht Armstrong

So blickt auch Tourchef Christian Prudhomme mit Spannung auf das teaminterne Duell bei Astana. "Ich wäre gerne ein kleines Mäuschen, um zu sehen, was bei Astana passiert. Ich denke, Contador wird nur eine Woche haben, um zu zeigen, dass er der Chef ist", sagt Prudhomme. Contador scheint jedenfalls früh genervt vom Ballyhoo um seinen prominenten Teamkollegen, der beim Giro d'Italia mit Platz zwölf wenige Wochen nach seinem Schlüsselbeinbruch ein kleines Ausrufezeichen setzte. "Ich habe mir den Job als Kapitän hart erarbeitet", sagt der Toursieger von 2007.

Der Favoritenkreis ist nach den vielen Dopingskandalen recht überschaubar geworden, zumal auch der Weltranglistenerste Alejandro Valverde von der Tour-Organisation ASO ein Startverbot erhielt. Der fast schon vergessene Titelverteidiger Carlos Sastre vom Cervelo-Team wäre zu nennen, auch der zweimalige Zweite Cadel Evans (Australien), die beiden Schleck-Brüder Andy und Fränk (Luxemburg) oder Giro-Sieger Dennis Mentschow (Russland).

Zu befürchten ist aber, dass die sportlichen Schlagzeilen wieder durch Doping-Skandale in den Hintergrund rücken. Die Nachricht von der positiven Probe (Epo) des niederländischen Jungstars Thomas Dekker bei einer Nachanalyse von 2007 verheißt jedenfalls nichts Gutes.

Härterer Kampf gegen Doping geplant

Ohnehin haben die Doping-Fahnder den "schwarzen Schafen" mit einer konzertierten Aktion den Kampf angesagt. Ein neu entwickeltes Testverfahren, eine Top-50-Liste der verdächtigsten Fahrer und ein Pakt zwischen dem Radsport-Weltverband UCI und der französischen Antidoping-Agentur AFLD soll das Netz noch enger als jemals zuvor spannen.

"Wir wissen genau, wen wir testen müssen. Einige Fahrer werden überrascht sein. Wir haben ein neues Testverfahren für eine Substanz entwickelt, von dem die Fahrer noch nichts wissen", sagte AFLD-Chef Pierre Bordry. Um welches Mittel und welche Methoden es sich handelt, wollte der 70-Jährige nicht verraten.

Mit einem ähnlichen Clou hatte die AFLD bereits im vergangenen Jahr das Peloton in Angst und Schrecken versetzt - und einige Betrüger entlarvt. So tappten 2008 unter anderem der zweimalige Etappensieger Stefan Schumacher, Bergkönig Bernhard Kohl und Kletterspezialist Riccardo Ricco in die Cera-Falle. Die AFLD hatte völlig überraschend ein neues Verfahren zum Nachweis des Epo-Nachfolgers auf den Weg gebracht.

Kontrolleure können auf Blutpass zurückgreifen

Damals hatte die AFLD nach einem Streit zwischen der Tour-Organisation ASO und dem Radsport-Weltverband UCI die Kontrollen in Alleinregie durchgeführt. Für die Tour 2009 haben AFLD und UCI am 10. Juni einen Pakt geschlossen.

Das hat den Vorteil, dass die Kontrolleure auf die Erkenntnisse aus dem Blutpass zurückgreifen können, der jüngst zu Disziplinarverfahren gegen fünf Fahrer geführt hat. So hat die UCI eine Liste von 50 verdächtigen Fahrern erstellt, die gezielt getestet werden.

Prudhomme will den konsequenten Weg fortsetzen, prophezeit aber auch ein "aufregendes Rennen". In der Tat haben sich die Veranstalter bei der Streckenführung einiges einfallen lassen. Nach der Ouvertüre in Monaco geht es die Mittelmeerküste entlang bis nach Barcelona, ehe der Einstieg in die Pyrenäen mit der Etappe nach Andorra-Arcalis beginnt, wo Jan Ullrich 1997 ins Gelbe Trikot gestürmt war.

Tour wieder mit Team-Zeitfahren

In der letzten Woche geht es schließlich in die Alpen, ehe es am vorletzten Tag zum Showdown auf dem Mont Ventoux kommt. Anstelle eines Einzelzeitfahrens bringt diesmal die Kletterpartie auf den Riesen der Provence, wo 1967 Tom Simpson vollgepumpt mit Amphetaminen vom Rad fiel und starb, die Entscheidung über den Toursieg. Außerdem wird das Teamzeitfahren wieder eingeführt.

Dass die deutschen Fahrer eine Hauptrolle spielen werden, ist dagegen eher unwahrscheinich. Milram-Profi Linus Gerdemann steckte bei der Tour de Suisse im Formtief, der umstrittene Andreas Klöden dürfte über die Rolle des Edelhelfers für Contador oder Armstrong kaum hinauskommen.

Für eine Überraschung könnte Tony Martin sorgen, der bei der Schweiz-Rundfahrt sensationell Zweiter geworden war. Milram, einziger deutscher Rennstall im Peloton, hofft auf einen Etappensieg und schielt ein wenig auf das Grüne Trikot für Gerald Ciolek.