Inzell. . Eisschnellläuferin Claudia Pechstein wird bei der Weltmeisterschaft in Inzell Achte über die 3000 Meter. Kein gutes, aber auch kein schlechtes Ergebnis für die 39-Jährige.
Claudia Pechstein steht auf der Innenbahn am Start, um sie herum die neue Eishalle von Inzell und die Neugier der Fremden auf den Tribünen: Was kann die 39-Jährige bei der Eisschnelllauf-WM nach Ablauf ihrer zweijährigen Dopingsperre erreichen? An diesem Nachmittag wird es Platz acht (4:08,11 Minuten) über 3000 Meter. Der Versuch der alten Dame endet im Niemandsland.
Als alles vorbei ist, kommt sie in den Katakomben der Halle eine Treppe hinauf, Menschen knubbeln sich um sie. „Ein ungünstiger Platz zum Reden“, findet sie. Sie hustet, dann spricht sie doch über ihren ersten WM-Auftritt nach ihrer Rückkehr. Stolz sei sie gewesen, es in dem Alter überhaupt noch einmal geschafft zu haben, und glücklich sei sie, vor ausverkauftem Haus zu laufen.
Das sind die Dinge, die sie seit ihrer Qualifikation vor Wochen in Salt Lake City wiederholt. Dann kommt die Frage nach ihren jüngsten Dopingkontrollen, und plötzlich wird es auf der Treppe so still, dass man den Weltraum knistern hört. Pechstein schaut hoch, überlegt kurz und antwortet: „Ich stehe jederzeit für alle Kontrollen zur Verfügung. In Inzell bin ich sofort am Dienstag nach der Anreise getestet worden. Sie haben mir vier Röhrchen Blut abgenommen.“ Pause. „Irgendwann leide ich wahrscheinlich unter Blutarmut.“
Gelächter auf der Treppe, aber es war gar kein Treppenwitz, es ist ein Missverständnis. „Das ist nicht lustig“, findet Pechstein. „Mit zu wenig Blut kann man nicht aufs Eis.“
Die Geschichte der Missverständnisse setzt sich also fort. Ihre Sperre, die nicht auf einer positiven Probe, sondern auf ihren außergewöhnlichen Blutwerten beruhte, kann sie bis heute nicht nachvollziehen: „Ich habe nie gedopt, ich bin unschuldig.“
Es gibt Mediziner, die auf ihrer Seite stehen, und es gibt Mediziner, die gegen sie argumentieren. Pechstein veröffentlicht mittlerweile ihre Blutwerte, sie sind weiterhin unregelmäßig, aber was beweist das? Auch die Zuschauer in Inzell sind unsicher. Denn sie wissen nicht, was sie tut.
Als Pechstein nach der Eisaufbereitung zu ihrem Rennen auf die Bahn kommt, versucht sich der Hallensprecher als Stimmungsmacher: „Herzlich willkommen zurück! Applaus!“ Manche klatschen, manche warten. Pechstein geht die 3000 Meter schnell an, bis zur 1800-m-Marke liegt sie vorne, doch dann lassen die Kräfte nach. Sie ist mit fünf Goldmedaillen die erfolgreichste deutsche Olympiateilnehmerin aller Zeiten, Platz acht in Inzell ist daher für sie nicht gut. Andererseits: Nach zweijähriger Pause und mit 39 Jahren ist Platz acht auch nicht schlecht.
Es ist ein Nachmittag des Sowohl-als-auch. Die Niederländerin Ireen Wüst läuft in 4:01,56 Minuten zum WM-Titel vor der tschechischen Olympiasiegerin Martina Sablikova (4:02,07) und der Deutschen Stephanie Beckert (4:04,28). Das Publikum jubelt, und Pechstein winkt in die Ränge, während sie ausläuft. Sie lächelt, aber es winken nicht viele zurück.
Die 39-Jährige hat vielleicht zu viele Kontakte abgebrochen. Mit ihren früheren Kolleginnen Anni Friesinger und Franziska Schenk spricht sie schon lange nicht mehr, und die Kommunikation zu Bronze-Gewinnerin Beckert ist eingeschränkt. So läuft Pechstein in Inzell zu ihrer tschechischen Trainingspartnerin Sablikova und gibt ihr einen Klapps vor dem Rennen, Beckert schaut sie nicht einmal an. Seelische Frausamkeiten, Fans spüren so etwas.
Auch mit ihrem Arbeitgeber, der Polizei, gab es zuletzt Theater. Immerhin: Am Tag vor der WM bewilligte der Polizeipräsident der 39-Jährigen noch einen Sonderurlaub für die Titelkämpfe.
Am Freitag macht Pechstein aber erstmal frei und verzichtet auf die 1500 Meter, für die sie auch qualifiziert ist. „Dann kann ich die 5000 Meter am Samstag hoffentlich frisch angehen“, begründet sie den Verzicht. Am Sonntag folgt der Team-Wettbewerb, Beckert ist dafür gesetzt. Und Pechstein? Keine Antwort, die Entscheidung fällt später. Das ist kein Thema für die Treppe.