München. .

Seit der große Kahn seinen Platz im Bayern-Tor geräumt hat, ist die Haltestelle in München zu einem viel frequentierten Platz geworden. Wenn eintritt, was die Spione aus dem Trainingslager des FC Bayern in Doha vermelden, dann wird mit Thomas Kraft in Kürze bereits der dritte Mann nach Kahn zwischen die Pfosten rücken.

Louis van Gaal sprach zwar öffentlich nicht ausdrücklich von einem Wechsel in der bevorstehenden Rückrunde der Bundesliga, feuerte die Spekulationen aber mit dem Satz an: „Es ist denkbar.“ Und schob nach: „Thomas Kraft hat ein großes Talent, deswegen müssen wir ihn auch ein bisschen ausbilden, dass er unter Druck spielen kann.“ Einen Kommentar von ihm gab es nicht. Der Trainer, das sickerte durch, musste noch die Führungsebene des Klubs von seiner Maßnahme informieren. Die Begeisterung der Anführer über van Gaals Einfall wird sich sehr in Grenzen halten: Sie haben längst alle Vorkehrungen getroffen, um Manuel Neuer im Sommer an der Isar als neuen Kahn zu installieren.

Ein wenig erinnerte das überraschende Geschehen gestern an jenen Tag vor nicht einmal zwei Jahren, als Jürgen Klinsmann wenige Stunden vor Anpfiff des Champions-League-Spiels beim FC Barcelona Michael Rensing durch Hans-Jörg Butt ersetzte. Es war das Ende der Karriere Rensings in München, wo er jahrelang auf den Abschied Kahns gewartet hatte.

Rensing ist nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit vor ein paar Tagen beim 1. FC Köln untergekommen, die Aufgabe bei den Bayern versah bis dato Jörg Butt mit zufriedenstellendem Erfolg. In der schwachen Hinrunde des Teams war der 36-Jährige, dessen Vertrag im Juni ausläuft, eine zuverlässige Kraft.

Doch nun protegiert van Gaal, der auch Thomas Müller und Holger Badstuber förderte, den 22-jährigen Thomas Kraft, Branchenname „Protz“. Der Nachwuchsmann spielte in Bayerns-Elf in der dritten Liga, rückte zur Nummer 2 bei den Profis hoch und durfte zwei Mal in der Champions League agieren, in Rom und gegen Basel.

Der ehrgeizige Trainer dreht hier sein eigenes Ding: Er hat bei Ajax Amsterdam einst Edwin van der Sar als jungen Torwart herausgebracht, das Kunststück wiederholte er beim FC Barcelona mit Victor Valdes. Van Gaal sendet mit seinem Beschluss keine Liebesgrüße an Neuer.

Doch er bewegt sich auf einem gefährlichen Grat. Denn die Bayern wollen den Schalker und keine Experimente. Wie es aus Doha heißt, habe Manager Christian Nerlinger schockiert auf die aktuelle Entwicklung reagiert. Nerlinger soll sich bereits vor Wochen gegen eine Hochstufung Krafts ausgesprochen haben.

Van Gaal geht ein hohes Risiko ein. Nicht nur, weil der Neuer-Transfer in Gefahr geraten könnte. Beim Kampf um den Champions-League-Platz kann Unruhe auf einer zentralen Position zerstörerisch wie Sand im Getriebe wirken. Sollte Kraft wie einst Rensing dem Druck nicht standhalten, hätte der Verein ein Riesenproblem.

Auch Krafts Vertrag endet im Sommer. Im schlechtesten Fall bekommen die Bayern Neuer nicht und müssen am Ende zwei neue Torhüter suchen.