Oslo. Nach dem Viertelfinal-Aus bei der Handball-WM ist man sich im deutschen Team uneinig, was die Bewertung des Turniers angeht. Ein Kommentar.

Alfred Gislason versuchte es mit einer absoluten Rarität. Der Bundestrainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft grinste. Dabei war ihm eigentlich gar nicht zum Grinsen zumute. Doch der Isländer, der sonst für seine eher stoische Art bekannt ist, wollte die Anwesenden unbedingt davon überzeugen, dass diese Weltmeisterschaft gar nicht so unerfolgreich war, wie es nach dem Aus gegen Portugal im Viertelfinale schien.

„Wir haben einen Haufen großer Mannschaften hinter uns gelassen“, erklärte der 65-Jährige nach dem 30:31 nach Verlängerung am Mittwochabend in der Osloer Unity Arena. Das ist richtig. Schweden, Norwegen, Spanien – allesamt schon in der Hauptrunde abgemeldet.

Handball-WM: Das Halbfinale musste das Ziel des DHB-Teams sein

Und trotzdem darf das nicht der Maßstab sein, wenn es um die Bewertung dieses Turniers geht. Noch im Sommer schwebte der Deutsche Handballbund (DHB) auf einer Wolke der Glückseligen. Olympiasilber, endlich mal wieder eine Medaille – Rekordweltmeister Frankreich sensationell auf dem Weg ins Endspiel besiegt, auf Augenhöhe mit den Topnationen. Übermacht Dänemark mal galant ausgeklammert.

So entstand das Ziel Halbfinale, das die deutsche Mannschaft um Kapitän Johannes Golla bei dieser WM unbedingt erreichen wollte. Als Zweiter der Sommerspiele durfte das getrost der Anspruch sein. Doch von der ersten Minute der Vorrunde an wurde deutlich, dass dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt war.

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All das, was die DHB-Auswahl im französischen Sommer ausgezeichnet hatte, fehlte. Teamgeist, Kreativität, ein starker Defensivverbund. Der „Flow“, den sie bei diesem Turnier immer wieder gern zitierten. Mit der Einschränkung, dass die deutschen Nationalspieler damit immer das Erfolgsgeheimnis der gegnerischen Mannschaften beschrieben.

Die jungen Spieler müssen erst noch Erfahrungen machen, bevor sie diese weitergeben

Das Gislason-Team hat nicht zu der Stärke zurückgefunden, mit der man in Paris und Lille beeindruckt hatte. Stattdessen wurden Gründe gesucht. Verletzungen, Grippewelle, Überlastung - Faktoren, mit denen auch andere Mannschaften zu tun hatten und trotzdem stark aufspielten.

Renars Uscins erwischte mit 33 Prozent Wurfquote einen schwachen Tag im Viertelfinale.
Renars Uscins erwischte mit 33 Prozent Wurfquote einen schwachen Tag im Viertelfinale. © imago/Eibner | IMAGO/Eibner-Pressefoto/Marcel von Fehrn

Das DHB-Ensemble hat sich zu oft auf Einzelleistungen verlassen – sei es von Juri Knorr (24), Julian Köster (24) oder Renars Uscins (22), der im Viertelfinale eine unglückliche Figur machte. Allesamt junge Spieler, die ihre Erfahrungen erst noch sammeln müssen, um sie auch weitergeben zu können.

Und so war es am Ende wahrscheinlich Luca Witzke, der einer realistischen Turnierbilanz am nächsten kam. „Wir haben keinen Schritt nach vorn gemacht“, so der Rückraumspieler vom SC DHfK Leipzig. Anders ausgedrückt: Dieses WM-Aus ist ein mächtiger Rückschritt für den DHB, der sich in seiner Entwicklung schon weiter gewähnt hatte.

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