New Orleans. 2005 Hurrikan Katrina, nun das Attentat mit 14 Toten: Der Super Bowl soll New Orleans Normalität bringen. Aber Präsident Trump kommt.
Nicht auszurechnen, wie New Orleans sein wird, wenn auch noch US-Präsident Donald Trump in der Stadt ist. Wo das Lotterleben beginnt, verliert The Big Easy gerade seine Leichtigkeit. Vielleicht ist es bloß Zufall, aber ausgerechnet ein Truck mit Flüssigasphalt im Tank für Schlaglöcher hält nun an der Canal Street Wache und versperrt die Zufahrt zur Bourbon Street. Jenem Ort, an dem die Seele New Orleans‘ am Neujahrstag tiefe Risse erfuhr, die so schnell nicht wieder zu verfüllen sind.
Super Bowl 2025: Sportspektakel gut einen Monat nach Anschlag mit 14 Toten
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An der Außenmauer eines Drogeriemarktes ehren Blumen, Kerzen, Nachrichten und 14 weiße Kreuze mit blauen Herzen die Opfer eines Terroranschlags. 57 weitere Menschen wurden verletzt. In den frühen Stunden des 1. Januar raste ein vom sogenannten Islamischen Staat inspirierter Veteran der US-Armee mit einem Pickup die Straße hinunter, wo das Leben in Bars mit Live-Jazz pulsiert und zu diesem Jahreswechsel doch so vielen Menschen genommen wurde. Die Fußgänger hatten keinen Schutz, die Sicherheitspoller waren ja zur Reparatur abmontiert.
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In gut einem Monat wird die Stadt anlässlich von Mardi Gras südstaaten-karnevalistisch grün-lila-golden geschmückt sein. Die Farbe der 14 Herzen eingangs der Amüsiermeile aber lässt Anne Kirkpatrick auf das bevorstehende Wochenende blicken: 125.000 Besucher werden zum 59. Super Bowl zwischen den Kansas City Chiefs und den Philadelphia Eagles (Nacht zu Montag, 0.30 Uhr deutscher Zeit/RTL) erwartet. „Sie werden von einem Meer aus Blau umgeben sein“, sagt die 66 Jahre alte Polizei-Chefin von New Orleans.
3500 Sicherheitskräfte: Und Sondervorkehrungen für Donald Trump
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The Big Easy, Heimat von Louis Armstrong, soll dann seine Unbeschwertheit zurückerlangen. Die Barbesitzer haben umgehend nach dem Anschlag mit ihren lockeren Moralvorstellungen das Lebenstempo in der Bourbon Street forciert. Geschäft ist Geschäft: Tänzerinnen aus Striplokalen, Tür an Tür mit Jazz-Clubs, beklagten, dass ihnen keine Zeit zugestanden wurde, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Etwas weiter im Famous Door kellnert Holly. „Party ist hier an jedem Wochenende“, sagt die Mittzwanzigerin und verdreht die Augen, als der mäßig begabte Sänger der fünfköpfigen Band Frankie Vallis „Can’t take my eyes off you“ und Van Morrisons „Someone like you“ schmettert. „Aber nach dem Attentat drehte sich hier alles sofort um den Super Bowl. Da wird‘s noch mal verrückter als sonst.“

Wer sich durch Kiez trifft Malle, alles nur in schlimmer, im French Quarter wagt, bahnt sich seinen Weg zwischen Besoffenen und den Ärmsten der Gesellschaft. Mancherorts lassen Urin und Marihuana dem Duft von Meeresfrüchte-Gumbo (kreolischer Eintopf) und Crawfish-Étoufée (Krebsfleisch mit ganz viel Knoblauch) keine Chance in der Nase. Im zur „erweiterten Sicherheitszone“ erklärten Amüsierviertel wird so mancher eine Pistole bei sich tragen – jedoch von den rund 3500, teils bis an die Zähne bewaffneten Sicherheitskräften von Polizei, Homeland Security, FBI und Nationalgarde nicht daran gehindert werden können, die an jeder Ecke patrouillieren und kontrollieren.
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Dieses Recht sichert der Bundesstaat Louisiana allen Volljährigen zu, daran ändert auch der Super Bowl in New Orleans nichts. Seine Glock darf man auf die Straße mitnehmen, keinesfalls aber eine Kühltasche. Die hatte der Neujahrs-Attentäter mit Sprengstoff gefüllt in seinem Pickup versteckt und gilt als Sicherheitsrisiko. Aber Wieder-US-Präsident Donald Trump, der als erster amtierender US-Primus am Sonntag einem Super Bowl beiwohnen möchte, hat volle Unterstützung und zusätzliche Kräfte zugesichert. Trumps Besuch erfordert nochmals besondere Maßnahmen. Denn für die An- und Abreise von Trumps Konvoi muss extra ein Korridor freigehalten werden. „Die Sicherheitsvorkehrungen sind noch einmal verschärft worden, weil zum ersten Mal ein amtierender Präsident kommt“, bestätigte Secret-Service-Sprecher Anthony Guglielmi.
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Super Bowl: Bürgermeisterin Cantrell: „Sicherer als jzuvor“
Aber: „Wir wissen, dass wir sicherer sind als zuvor“, sagt LaToya Cantrell. Die 52-Jährige wurde 2018 zur ersten Bürgermeisterin von New Orleans gewählt, wo gerade der Ausnahmezustand herrscht. Konkrete Bedrohungen liegen nicht vor, trotzdem gibt es ein Flugverbot für Drohnen und zum Spiel der Chiefs gegen Eagles Scharfschützen in einem Hubschrauber über dem Ceasars Superdome. Die Heimat der Football-Saints, die mitten im Geschäftszentrum liegt und wie eine auf die Seite gelegte überdimensionale Reifenfelge mit aufgeplatzter Zierblende aussieht, kommen 30.000 Fans zur Opening Night. 20 Dollar bezahlen sie, um die Stars in Interviews mit Reportern zu sehen, von denen sich zu viele bei Chiefs-Star Travis Kelce nach den Kochkünsten von seiner Freundin Taylor Swift („Ich bin ein Frühstücks-Typ, ihre selbstgemachten Teigtaschen mit Marmelade sind unglaublich“) oder einer anstehenden Verlobung mit dem Pop-Megastar („Das würdet ihr alle gerne wissen, oder?“) erkundigen.
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Zum elften Mal wird am Sonntag in New Orleans der NFL-Champion ermittelt, zum achten Mal im Superdome. Was die Fans vor allem Doug Thornton zu verdanken haben. Für den 66-Jährigen ist die Arena als Vize-Präsident der Betreibergesellschaft ASM Global ein zweites Zuhause. Zwei Jahre nach der Einweihung wurde hier Muhammad Ali am 15. September 1978 ein drittes und letztes Mal Weltmeister im Schwergewichts-Boxen. Die Republikaner kürten hier George Bush senior zum Präsidentschaftskandidaten, Papst Johannes Paul II. predigte unter der lange Zeit größten Kuppel der Welt. NBA-Basketball Ende der 70er-Jahre und die Football-Endspiele machen den Superdome zu einem ikonischen Veranstaltungsort des US-Sports. Als New Orleans 2002 den ersten Super Bowl nach den Terroranschlägen vom 11. September austrug, war das überarbeitete Sicherheitskonzept so streng, dass Beatles-Legende Paul McCartney, der vor dem Spiel auftrat, ewig auf eine Zusatzerlaubnis der Behörden und Einlass warten musste. Beim bisher letzten Endspiel an der Golfküste sorgte 2013 eine technische Panne beim Stromanbieter für einen stockfinsteren Superdome und 34 Minuten Unterbrechung.
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Hurrikan Katrina verwüstete 2005 New Orleans, Superdome wurde als „letzte Zuflucht“ geräumt
Ihren dunkelsten Moment erlebte die Arena aber 2005. Hurrikan Katrina verwüstete an den letzten August-Tagen New Orleans. 30.000 Menschen vertrieb nicht einmal ein Sturm der höchsten Stufe fünf aus der Stadt, sie suchten im zum „letzten Zufluchtsort“ deklarierten Superdome Unterschlupf und wurden Teil eines Horrorfilms: Katrina riss das Dach fort, die Deiche des Lake Pontchartrain brachen und überfluteten 80 Prozent der Stadt. Es gab nach und nach keinen Strom, keine sanitäre Versorgung mehr. Sechs der insgesamt 1836 Menschen in New Orleans starben im Superdome, bevor er doch geräumt wurde. Verängstigte Evakuierte berichteten von Vergewaltigungen, Raub und Totschlag.
„Das durfte nicht das letzte Bild vom Superdome sein, an das wir uns erinnern“, sagt Thornton. Die Renovierung verschlang Hunderte von Millionen Dollar, endete aber in der Wiedereröffnung nur ein Jahr später am 25. September. „Was wir sahen, war nichts weniger als ein Wunder.“ Um dem NFL-Finale und gut 73.000 Besuchern am Sonntag eine Heimat zu geben, erfuhr der Superdome in den vergangenen Jahren erneut ein zeitgemäßes Update im Wert von 535 Millionen Dollar. „Die Rettung des Superdomes war eine Inspiration für die ganze Stadt, es war ein Signal der Zuversicht“, sagt Doug Thornton, „ich hoffe, die Menschen sagen, wir haben das Vermächtnis des Gebäudes angemessen bewahrt, seine reiche, überwiegend positive Geschichte.“
Zumindest bis jetzt hat Super Bowl 59 die Menschen von New Orleans nicht enttäuscht.
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