Innsbruck. Bei der Vierschanzentournee machen am Montag drei Österreicher den Sieg unter sich aus. Plan der DSV-Adler ist krachend gescheitert.
Eigentlich wollten Deutschlands Skispringer im September auf der Schanze von Bischofshofen trainieren, wo an diesem Montag das große Finale der 73. Vierschanzentournee (16.30 Uhr/ ZDF) über die Bühne geht. „Aber dann sind uns die Böhsen Onkelz mit einem Konzert dazwischengekommen“, erzählt der letztjährige Tournee-Zweite Andreas Wellinger.
Vierschanzentournee: Drei Österreicher liegen nur 72 Zentimeter auseinander
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Ist aber kein Problem: Die mit Pius Paschke als Topfavorit angetretenen deutschen Flieger sind nur chancenlose Nebendarsteller beim Skisprung-Grand-Slam. Die Hauptrollen beim dramatischsten Tournee-Endkampf der Tournee-Geschichte spielen die drei Musketiere aus Österreich. Skiflug-Weltrekordler Stefan Kraft führt nach seinem Triumph am Samstag in Innsbruck mit 0,6 Punkten Vorsprung (umgerechnet 33 Zentimeter) vor seinem Landsmann Jan Hörl und 1,3 Zählern (72 Zentimeter) von Daniel Tschofenig.
„Die spannendste Tournee der Geschichte“ hatte Sven Hannawald bereits vor dem Start des weltweit wichtigsten Skisprung-Events angekündigt. Dabei im Kopf hatte der Mann, der vor 23 Jahren als letzter Deutscher die Tournee gewonnen konnte, jedoch ein Duell der Gastgeberländer zwischen den Österreichern um Jan Hörl und den Deutschen um Pius Paschke. Der Mann, der vor der Tournee fünf von zehn Weltcups gewann, liegt jedoch vor dem Finale bereits uneinholbare 22 Meter hinter Kraft zurück. In den drei Tourneespringen gab es keinen einzigen deutschen Podestplatz. Dafür am Samstag am Bergisel mit nur drei Deutschen im Finale plus Platz acht für Paschke ein echtes Debakel.
Drei Österreicher auf dem Siegerpodest gab es schon mal
Die Österreicher feierten vor 22.500 Fans im Hexenkessel dagegen einen überragenden Dreifachsieg, haben damit acht von neun möglichen Plätzen bei den Tournee-Siegerehrungen der letzten Tage abgesahnt. Das Austria-Trio ist auf dem besten Weg, den dritten Dreifach-Tourneegesamtsieg der Geschichte für Österreich nach 1975 (Willi Prüstl vor Edi Federer und Karl Schnabl) sowie 2012 (Gregor Schlierenzauer vor Thomas Morgenstern und Andreas Kofler) zu feiern.
Und was taten sie als Vorbereitung auf das Finale in Bischofshofen? „Ich habe mir erstmal mein Lieblingsessen Lasagne bestellt, schließlich hat sich heute ein Kindheitstraum erfüllt“, erklärte Routinier Kraft (31) nach seinem ersten Tournee-Sieg am Bergisel mit Tränen in den Augen: „Dahoam ist es am schönsten, heute waren 20 Leute und meine Frau für mich da.“ Die hatte ihm auch neuen Treibstoff mitgebracht: Eierlikör. Damit gab der Ausnahmeathlet, der seit einem Jahrzehnt die Flieger-Weltelite mitdominiert und alle wichtigen Titel gewonnen hatte, auf dem Weg in den Finalort eine Runde im Bus aus.
Bundestrainer Horngacher über deutsche Taktik: „Schuss ging nach hinten los“
Oben auf der Schanze hatte Kraft vor seinem entscheidenden Sprung noch gemeinsam mit seinen Austria-Konkurrenten Tschofenig (22) und Hörl (26) noch den Hit Sweet Caroline geschmettert, den die Fans unten in der Arena lautstark sangen. Mit dieser Lockerheit schweben die Österreicher durch die Tournee, saugen Energie aus der Begeisterung der Zuschauer und geben stundenlang Interviews. Schummel-Vorwürfe der Konkurrenz in Sachen Wunderanzüge und Material werden cool gekontert – in Innsbruck wurden die Bindungen der Austria-Überflieger „vom anderen Planeten“ (Maximilan Ortner) nach der Landung plötzlich mit Mützen bedeckt.
„Der Schmäh stimmt bei uns – genau wie alles andere: Teamspirit, Material, springerische Leistung. Trotzdem weiß ich selbst nicht so recht, was da momentan gerade abgeht“, sagt Österreichs Erfolgstrainer Andreas Widhölzl. Wer von seinen Springern letztlich den ersten Austria-Tourneesieg seit Stefan Krafts Triumph vor einem Jahrzehnt feiern wird, kann er auch nicht voraussagen: „Am liebsten wäre mir, wenn alle drei ex aequo oben stehen würden.“ Tagesform und die besten Nerven würden entscheiden. Für Kraft spricht seine einzigartige Erfahrung, für Hörl das Springen auf seiner Heimschanze in Bischofshofen, für Tschofenig die jugendliche Leichtigkeit.
Bei den deutschen Fliegern läuft derweil die Ursachenforschung, warum sie wieder einmal bei der Tournee versagt haben. „Das hat verkrampft ausgesehen, nicht locker und frei“, analysierte Bundestrainer Stefan Horngacher: „Da war Druck drauf – und manchmal geht der Schuss dann nach hinten los.“ Fest steht, dass der von Deutschen ausgegebene Abschottungs-Kurs mit möglichst wenig Medienterminen und Zuschauer-Kontakt krachend gescheitert ist.
Grand-Slam-Sieger Hannawald kritisiert deutsche Adler
„Wenn es Richtung Tournee geht, werden sie fest und fester. Sie müssten diese Atmosphäre einfach mal aufsaugen, Gänsehaut und Adrenalin zulassen – so wie es die Österreicher tun. Das ist ein mentales Thema und dann heißt es: Auf Wiedersehen“, sagt Sven Hannawald. Oder wie es Austria-Goldschmied Widhölzl ausdrückt: „Wenn ich keinen Bock auf Medien und Fans habe, dann habe ich bei der Tournee ein Problem.“
Die lockeren Österreicher trinken Eierlikör, die Deutschen schauen bedröppelt zu. Vielleicht würde ja auch ein Konzert-Besuch bei den Böhsen Onkelz helfen, damit es im nächsten Winter dann nach 24 Jahren endlich wieder einen deutschen Tournee-Gesamtsieg gibt.