Innsbruck. Drittes Springen der Vierschanzentournee am Samstag in Innsbruck: Die deutschen Asse haben keine guten Erinnerungen an den Bergisel.
Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher kann das Gerede vom deutschen Problemberg in Innsbruck nicht mehr hören. „Der Bergisel ist keine Schicksalsschanze, das ist Aberglaube. Wir freuen uns auf das Springen – vielleicht holen wir ja einen Podestplatz oder Sieg“, sagt der Österreicher vor dem dritten Springen der 73. Vierschanzentournee am Samstag (13.30/ ARD und Eurosport). Nötig hätten die deutschen Flieger nach den zwei Heimspringen von Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen ohne Podestplatz und im Schatten der überragenden Österreicher einen solchen Erfolg. Die statistische Wahrscheinlichkeit ist dafür aber eher gering.
Nur fünf deutsche Podestplätze in Innsbruck in diesem Jahrtausend
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Nur fünfmal schaffte es ein deutscher Flieger in diesem Jahrtausend aufs Podest am gefürchteten Bergisel. Martin Schmitt (2. 2000 und 3. 2009), Sven Hannawald (1. 2002), Richard Freitag (1. 2015) und Andreas Wellinger (3. 2018). Dafür spielten sich im letzten Vierteljahrhundert unglaubliche Dramen an dieser markanten Schanze oberhalb von Innsbruck ab. Richard Freitag oder Severin Freund büßten hier nach fatalen Stürzen alle Chancen auf den Gesamtsieg beim Skisprung-Grand-Slam ein. Und auch Andreas Wellinger verlor hier im vergangenen Winter seine Führung in der Gesamtwertung an den Japaner Ryoyu Kobayashi und landete am Ende in der Tournee auf Platz zwei.
Warum die deutschen Flieger sich in Innsbruck so schwer tun? Horngacher fällt auch nach mehreren Nachfragen kein Grund dafür ein. Andreas Wellinger schon: „Von Abbruch, weil zu dunkel, über Wind aus allen Richtungen bis zu Föhnsturm war in den vergangenen Jahren alles dabei. Das ist halt ein Wettkampf auf einer windanfälligen Schanze, wo die deutschen Springer in den vergangenen Jahren nicht unbedingt das Glück auf ihrer Seite hatten.“
Ein Schicksalsberg sei der Bergisel für den Olympiasieger von 2018 aber deshalb trotzdem nicht: „Wir können dort super performen: Markus Eisenbichler ist dort Weltmeister geworden, Karl Geiger Vizeweltmeister.“ 2019 war das bei der Nordischen Ski-WM. Bei der Vierschanzentournee war die Schanze mit ihrem einmalig stimmungsvollen Zuschauerkessel jedoch in den letzten Jahren oft ein unüberwindbares Hindernis für die Deutschen.
Wind und schlechte Sicht: Was den Bergisel in Innsbruck so speziell macht für die Skispringer
Deshalb ließ Chefcoach Horngacher seine Topspringer wie Paschke oder Wellinger dort auch im vergangenen Sommer und Herbst mehrmals trainieren. Er will dieses Thema aber nicht zu hoch hängen, um den Druck nicht noch weiter zu erhöhen. „Der Bergisel ist kein mentales Problem für uns. Dort passiert halt öfter mal was. Die Verhältnisse können dort oft ein bisschen schwierig sein: Ob nun durch Föhn, Präparation oder andere Ursachen“, so Horngacher: „Die deutschen Springer hat es mit Stürzen in den letzten Jahren häufiger mal erwischt, aber das ist mir in meiner Zeit in Polen mit Kamil Stoch auch mal passiert. Wenn du gut springst, ist die Schanze zu bewältigen wie jede andere auch.“
Was vor dem dritten Tourneespringen vor ausverkauftem Haus mit 22.000 Fans – darunter 9000 Deutschen – etwas Hoffnung gibt: Am besten performten die deutschen Flieger dort oft, wenn sie in der Tournee-Gesamtwertung schon weit zurücklagen. Zum Beispiel beim bis dato letzten deutschen Tagessieg von Richard Freitag vor zehn Jahren. Auch diesmal sind die Deutschen in der Gesamtwertung schon abgeschlagen: Paschke hat als Sechster bereits 25,3 Punkte (umgerechnet 15 Meter) Rückstand auf den österreichischen Halbzeit-Tournee-Spitzenreiter Daniel Tschofenig (Österreich). Bei Karl Geiger sind es sogar 22 Meter. „Der Rucksack der Erwartungen ist kleiner geworden. Das könnte uns in die Karten spielen“, sagt Horngacher.
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Ähnlich sieht es Karl Geiger, der sich bei dieser Tournee von Sprung zu Sprung steigern konnte: „Der Knoten ist bei mir noch nicht aufgegangen, aber er hat sich gelockert. In Innsbruck herrscht immer eine tolle Atmosphäre, da werden wir richtig Spaß haben.“
Geiger vor Innsbruck: „Der Bergisel verzeigt keine Fehler“
Der Oberstdorfer kennt allerdings auch die Schattenseiten dieser vielleicht speziellsten Schanze im gesamten Skisprung-Weltcup: Vor zwei Jahren scheiterte er hier in der Qualifikation. „Der Bergisel verzeiht halt keine Fehler“, sagt Geiger. Und die Schanze ist wegen ihrer Windanfälligkeit seit jeher das größte Diskussionsthema der Vierschanzentournee. 2008 und 2022 fiel das Springen von Innsbruck sogar aus, die „Dreischanzentourneen“ wurden jeweils mit zwei Springen in Bischofshofen beendet.
Nur gut, dass der Wetterbericht diesmal ausgesprochen gut aussieht. „Die besten Skispringer sollten am weitesten fliegen und nicht die glücklichsten“, sagt Wellinger. Das allerdings spricht klar für einen Triumph der Österreicher – und für eine Fortsetzung des deutschen Fluchs am Schicksalsberg.