Oberstdorf. Am Sonntag beginnt die 73. Vierschanzentournee. Für Skispringer ist es das Highlight – für die Gastgeber ein lohnendes Geschäft.
Oberstdorf brummt in diesen Tagen. Dass hier im Schatten des Nebelhorns fast alle Unterkünfte in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ausgebucht sind, hat nicht nur mit den traumhaft schneebedeckten Bergen im deutschen Wintersport-Mekka zu tun. Auch das Auftaktspringen der 73. Vierschanzentournee bringt jede Menge zahlungskräftiges Publikum in den Ort. Schon drei Tage nach dem Vorverkaufsstart im September war der für Sonntag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) terminierte Wettbewerb mit 25.500 Zuschauern restlos ausverkauft. Und auch in der Qualifikation tags zuvor erwarten die Tournee-Organisatoren, dass der bisher bei 16.300 Fans stehende Fan-Rekord gebrochen wird.
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Nur zur Einordnung: Diese erstaunliche Zuschauer-Menge beim Vorspiel für den Tournee-Start ist weltweit einmalig. Bei den meisten anderen Skisprung-Weltcups wird diese Zahl nicht mal beim echten Wettbewerb annähernd erreicht. Das beweist die Zugkraft des Skisprung-Grand-Slams, der sich in seiner Geschichte seit 1953 zum weltweit wichtigsten jährlichen Wintersport-Event neben dem legendären Alpin-Rennen auf der Kitzbühler Streif entwickelt hat. Laut einer der unabhängigen internationale Bewertungsplattform YouGov ist die Vierschanzentournee sogar die beliebteste Sportveranstaltung in Deutschland. Die Handball-Bundesliga sowie die Champions League der Fußballer landen geschlagen dahinter.
„Dieses Ergebnis freut uns natürlich sehr, denn es deckt sich ja mit unseren Erfahrungen. Die Stimmung vor Ort ist immer sensationell und die TV-Übertragungsquoten sind wirklich spitze“, sagt Dr. Peter Krujier aus Oberstdorf, Präsident der Vierschanzentournee. Das spült auch jede Menge Geld in die Kassen der vier Tournee-Orte Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen. Oberstdorfs Tourismus-Direktor Frank Jost hat in der Corona-Zeit einmal verraten, dass dem Ort durch die damals geltenden Beschränkungen allein in der Vierschanzentournee-Woche 20 Millionen Euro Umsatz in Beherbergungsbetrieben und Gaststätten durch die Lappen gegangen seien. Auch die Kurabgabe bringt an Tournee-Tagen 25.000 Euro.
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Die Marktgemeinde ist mit mehr als 2,5 Millionen Übernachtungen jährlich die deutsche Winter-Urlaubs-Destination Nummer eins. Neben den drei großen Skigebieten rund um den Ort und zahlreichen anderen Aktivitäts-Angeboten trägt auch das Auftaktspringen der Vierschanzentournee entscheidend zu diesem Erfolg bei. Auch im österreichischen Tournee-Finalort Bischofshofen ist das Skispringen traditionell das wichtigste Event des Jahres, das viele Besucher in die Hochkönig-Region bringt. Etwas anders sieht es in der Tiroler Metropole Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen aus, in denen wegen der viel internationaleren Gästeklientel die Skispringen eine nicht so große Rolle spielen. Im Dezember 2023 kamen beispielsweise etwa 70 Prozent der Übernachtungen in Garmisch-Partenkirchen aus dem Ausland – hauptsächlich Touristen, die den höchsten deutschen Berg erleben und an der Zugspitze Ski fahren wollten. In Oberstdorf dagegen lag die Zahl der Auslands-Touristen 2023 nur bei sechs Prozent.
Viele deutsche Gäste des Ortes verraten, dass sie auch die TV-Übertragungen von Wintersport-Events zu einem Urlaub nach Oberstdorf gelockt haben. Deshalb wurde auch die Nordische Ski-Weltmeisterschaft 2021 im Allgäu in der schlimmsten Corona-Phase durchgezogen. Obwohl kein einziger Zuschauer live vor Ort dabei sein konnte und dem Ort so Millioneneinnahmen durch die Lappen gingen. Auch die Vierschanzentournee ist ein Garant für Top-Quoten: 5,08 Millionen Zuschauer schauten 2023 beim Tournee-Auftaktspringen in Oberstdorf zu, beim legendären Neujahrsspringen 2024 in Garmisch-Partenkirchen waren es sogar 6,02 Millionen im ZDF.
Der Werbewert dieser Tournee-Übertragungen für die Orte summiert sich auf einen zweistelligen Millionenwert, während die TV-Sender für einen 30-Sekunden-Werbespot zuletzt mehr als 30.000 Euro bei der Tournee aufriefen. Die Vermarktung des Skisprung-Grand-Slams bringt dem Deutschen Skiverband (DSV) und dem Österreichischen Skiverband (ÖSV) pro Jahr jeweils geschätzte 2 Millionen Euro ein. Dazu kommen bei mehr als 100.000 Zuschauern allein bei den Wettkämpfen in den vier Tourneeorten weitere Millionen-Einnahmen. Geld, das zumindest teilweise auch in die Nachwuchsarbeit in den örtlichen Skiklubs fließt.
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Die Skispringer wie der derzeitige Überflieger Pius Paschke, die all diese Millionen-Umsätze erst möglich machen, werden dagegen vergleichsweise spärlich entlohnt. Der Gesamtsieger des Topevents kassiert rund 100.000 Schweizer Franken (rund 107.000 Euro). Kleingeld im Millionengeschäft Vierschanzentournee, wie auch der letzte deutsche Gesamtsieger Sven Hannawald findet: „Ich würde das als unterbezahlt bezeichnen. Es schauen bei jedem Springen mehrere Millionen Zuschauer allein in Deutschland am TV zu. Es wird ja auch durch die Vermarktung und die Zuschauer viel Geld bei der Tournee verdient. Ich finde, eine Million für den Tournee-Gesamtsieg wären vielleicht zu viel. Aber 250.000 Schweizer Franken würde ich angemessen finden.“
Widerspruch kommt vom deutschen Hoffnungsträger Andreas Wellinger: „Man könnte Vergleiche mit anderen Sportarten anstellen, das ist es vielleicht nicht angemessen. Andererseits sind 100.000 Schweizer Franken ein cooles Preisgeld. Und dem, der gewinnt, geht’s ohnehin vor allem um den goldenen Adler. Jeder von uns würde das auch nur für einen Handschlag machen, wenn er einmal die Tournee gewinnen könnte.“