München. Manuel Neuer rückt beim 0:1 des FC Bayern im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Bayer Leverkusen in den Fokus. Bekannte Debatten erhalten neue Schärfe.

Um sich ein Bild über die sehr unterschiedlichen Befindlichkeiten beim FC Bayern und bei Bayer Leverkusen zu machen, genügten nach dem Aus der Münchener im Achtelfinale des DFB-Pokals wenige Szenen im direkten Gegenschnitt. Durch eine Flügeltür treten die Spieler und ihre Vorgesetzten in der Münchener Arena aus dem Kabinengang, um zum Ausgang oder zu den wartenden Journalisten zu gehen. Leverkusens Jeremy Frimpong kommt hindurch, beschallt die Katakomben mit einem Ghettoblaster und amüsiert die Wartenden mit einer Tanzeinlage, ehe er im Takt der Bässe beschwingt gen Mannschaftsbus federt.

Viel schärfer hätte der Kontrast zu Manuel Neuer nach der 0:1 (0:0)-Niederlage des FC Bayern am Dienstag kaum ausfallen können. Bevor Frimpong in die Nacht tänzelte, hatte der Torwart der Münchener angemessen betreten über sein Foul an Frimpong in der 17. Minute gesprochen, das für Neuer seine erste Rote Karte in seinem 866. Profispiel nach sich zog. „Ist natürlich spielentscheidend“, sagte der Kapitän geknickt, „tut uns weh und tut mir leid.“ Später traf der eingewechselte Nathan Tella per Kopf zu Leverkusens Einzug ins Viertelfinale (69.). Leverkusens Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes verspürte nach dem Viertelfinaleinzug, wieder „eine andere Gewinner-Mentalität“ beim Double-Sieger – und gab eine optimistische Prognose ab: „So werden wir noch viele Spiele gewinnen.“ 

Flick, Nagelsmann, Tuchel, Kompany: Pokal ist früh futsch

Für die Bayern scheint es wie verhext zu sein. Zum fünften Mal in Serie verabschiedeten sie sich frühzeitig aus dem Pokal. Sie verpassen damit erneut jenen Titel, der neben der Meisterschale jedes Jahr fest angestrebt wird vom deutschen Branchenkrösus. Doch egal, ob der Trainer Hansi Flick, Julian Nagelsmann, Thomas Tuchel oder nun Vincent Kompany heißt: Der Pokal ist früh futsch. „Ich hoffe schon, dass uns das anstachelt“, sagte Mittelfeldspieler Joshua Kimmich zu den verbliebenen Titelchancen in der Bundesliga und Champions League.

Vertraute Debatten werden nun mit neuer Schärfe geführt. Das gilt besonders für die Frage, warum die Bayern ihre großen Spiele oft nicht gewinnen, obwohl sie meist überlegen agieren. Gegen Leverkusen war das zum zweiten Mal nach dem 1:1 in der Liga so. Zudem verloren sie bei Aston Villa (0:1) und in Barcelona (1:4). Gegen Frankfurt (3:3) und in Dortmund (1:1) spielten sie Remis. Nur gegen Stuttgart (4:0) und Paris (1:0) gelangen Siege. Max Eberl reagierte bei dem Thema äußerst gereizt. „Ich weiß, dass Sie sehr kritisch sind. Ich weiß, dass Sie alles in Frage stellen. Das ist mir relativ scheißegal“, ging der Sportvorstand einen Reporter an. Kurzer Gegenschnitt zu Rolfes, der auf die Frage, ob er fassen könne, dass der 1,73 Meter große Tella per Kopf getroffen habe, lachte und vergnügt antwortete: „Das ist skurril. Nathan ist bislang nicht dafür bekannt, ein Kopfballungeheuer zu sein.“

Bayern dominieren in Unterzahl, doch Kanes Abschlussstärke fehlt

Bayerns Sportdirektor Christoph Freund stimmte ebenso zu wie Kimmich, dass der Ertrag in den großen Spielen oft fehlt. „Wenn man rein die Ergebnisse sieht, dann ist es natürlich ernüchternd“, räumte Kimmich ein, „wenn ich die Art und Weise sehe, sehe ich uns auf dem richtigen Weg.“ Aber, gab er zu bedenken, „wir müssen diesen Weg auch in positive Ergebnisse ummünzen“. Tatsächlich hatten die Bayern trotz Unterzahl gegen Leverkusen lange dominiert. Mittelstürmer Harry Kane sah wegen seines Faserrisses im Oberschenkel von der Tribüne aus, dass seine Abschlussstärke fehlte.

Mit Köpfchen: Nathan Tella (l.) sorgt für den Siegtreffer von Bayer Leverkusen gegen die Bayern.
Mit Köpfchen: Nathan Tella (l.) sorgt für den Siegtreffer von Bayer Leverkusen gegen die Bayern. © Getty Images | Alexander Hassenstein

Und er sah auch jene weitere vertraute Debatte mit Wucht anrollen, als Neuer bei seinem Ausflug zu spät kam und Frimpong per Bodycheck abräumte, was Schiedsrichter Harm Osmers als Notbremse wertete. Diskutiert wurde darüber, ob Konrad Laimer noch hätte eingreifen können und damit dunkelgelb ausgereicht hätte. Vor allem aber flammte jene Diskussion neu auf, ob der 38 Jahre alte Neuer das Timing und die nötige Sprintstärke verloren haben könnte.

Neuer lieferte zuletzt mehrere unglückliche Szenen

Bei der WM 2014 hatte Neuer sein Markenzeichen im Achtelfinale gegen Algerien geprägt, als er wie ein Libero mehrfach Bälle ablief. Zuletzt prägten sich eher Szenen ein, in denen dabei etwas schief ging. Wie beim Gegentor bei Aston Villa, als Jhon Duráns Schuss im Bogen über Neuer hinweg ins Tor flog. Die damals geführte Debatte über Neuers Timing wurde unterfüttert von seinem Crash zuvor gegen Zagreb, als er bei einem Ausflug mit Angreifer Bruno Petkovic kollidierte und so heftig auf den Rücken knallte, dass er zur Halbzeit raus musste. Schon damals wurde gefragt: Muss Neuer da rauslaufen?

Nun sagte Rolfes, es sei mit den langen Bällen „nicht unbedingt“ darum gegangen, „Manuel da raus zu locken. Aber torgefährlich darüber zu werden und Probleme zu kreieren, das war schon der Plan.“ Kompanys hoch stehende Defensive begünstigt es, dass Neuer in die Bredouille gerät. Auch diese Debatte wird den Bayern wohl erhalten bleiben.