München. Es war die Szene, die das Pokal-Aus des FC Bayern einläutete. Der missglückte Ausflug von Manuel Neuer wirft Fragen auf.
Diese Aktionen machten Manuel Neuer berühmt und bei gegnerischen Angreifern gefürchtet: die weiten Ausflüge aus dem Sechzehnmeterraum. Mal grätschte die Torwartlegende, die nicht wenige – auch wegen solcher Szenen – für den besten Keeper aller Zeiten halten, den entgegenkommenden Ball mit dem Fuß, mal köpfte er ihn weg, mal nahm er ihn auf und spielte ihn lässig zum Mitspieler. Was aber (fast) alle dieser Szenen gemein hatten: Neuer war stets vor dem heranlaufenden Stürmer am Ball.
Diese proaktiven Klärungsaktionen wurden zu Neuers Markenzeichen. Sie funktionierten, weil der langjährige Bayern- und ehemalige DFB-Torhüter in aller Regel deutlich höher stand als die anderen Vertreter seiner Zunft, dazu schnell, mutig und konsequent agierte. So revolutionierte und modernisierte er das Torwartspiel.
Auch im gestrigen Pokal-Achtelfinale Bayern München gegen Bayer Leverkusen macht Neuer wieder einen Ausflug aus dem Sechzehner – der geht allerdings gehörig schief. Spielminute 17: Der schnelle Leverkusener Flügelspieler Jeremie Frimpong jagt, verfolgt von Konrad Laimer und Dayot Upamecano, einem langen Ball von Jonathan Tah hinterher. Neuer entscheidet sich rauszukommen, ist aber zu spät, versucht den Ball mit dem Kopf zu erwischen und rammt den Niederländer dabei frontal.
Neuer über die Rote Karte: „Tut uns weh und das tut mir natürlich leid“
Nach 864 Spielen kassierte der 38-Jährige die erste Rote Karte seiner Profi-Karriere. „Ich habe ihn einlaufen sehen“, beschrieb er anschließend die Szene mit Frimpong, „er hat so einen Querlauf gemacht und ist dann steil gelaufen in die Spitze. Ich wollte die Situation nach vorn lösen. Ich habe den Ball nicht berührt und er stand da.“
Neuer zur Entscheidung Platzverweis: „Ich habe keine aktive Situation kreiert. Aber dadurch, dass ich den Ball nicht berühre, kam dann die Entscheidung des Schiedsrichters, dass er abgepfiffen und mir die Rote Karte gegeben hat. Das“, sagt der Rot-Sünder, „ist natürlich spielentscheidend. Das tut uns weh und das tut mir natürlich leid.“
Osmers‘ Entscheidung war unstrittig, selbst auf Bayern-Seite hielt sich der Protest in Grenzen. Umso klarer die Erkenntnis, dass sich Neuer entweder schneller zum Herauslaufen hätte entscheiden, oder aber im Kasten bleiben und darauf setzen müssen, dass Laimer und Upamecano Frimpong noch erfolgreich bearbeiten können. Fakt ist: Der Platzverweis leitete früh Bayerns 0:1-Niederlage gegen den Doublesieger ein, gleichbedeutend mit dem nächsten frühen Pokal-Aus der Münchener.
Neuer verschätzte sich schon gegen Aston Villa
Die Frage muss erlaubt sein: Schwindet Neuers größte Stärke? Wie schnell und entscheidungssicher ist der Weltmeister von 2014 noch? Schon Anfang Oktober hatte er mit einem missglückten Ausflug seine Aktien in einer 0:1-Niederlage der Bayern: Gegen Aston Villa wollte Bayerns Nummer eins gegen Jhon Duran herauskommen, entschied sich dann wieder um, stand zu weit vorne und wurde vom Kolumbianer mit einem Heber düpiert. Und auch beim 1:4 gegen den FC Barcelona war Neuer an einem Gegentor beteiligt.
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Natürlich hat der Schlussmann das Los beim Rekordmeister, dass Bayern – immer auf spielerische Dominanz aus – traditionell mit einer sehr hochstehenden Abwehrkette spielt. Auch am gestrigen Pokal-Abend war das der Fall. Die Gefahr, dass der Gegner dies mit schnellen Spielern wie Jeremie Frimpong ausnutzt, ist immer gegeben.
Umso wichtiger ein Torwart, der schnell genug in den Beinen und im Kopf ist. Neuer war das, bei allem Respekt vor seinen Leistungen, in der jüngeren Vergangenheit nicht immer. Er muss sich stabilisieren, sonst wird die einstmals größte Stärke zu einem Sicherheitsrisiko für seine Mannschaft.