London. Der FC Chelsea hat 1,5 Milliarden Euro in einen XXXL-Kader gesteckt. Die Strategie des Teams, das beim 1. FC Heidenheim spielt, könnte aufgehen.

Wahrscheinlich gehört der FC Chelsea zu den wenigen europäischen Spitzenklubs, die sich in dieser Saison nicht über die hohe Belastung des Spielkalenders beklagen. Zwar haben auch die Londoner neben der Premier League zwei nationale Pokalwettbewerbe sowie die Conference League zu bestreiten. Aber im Gegensatz zu den Konkurrenten verfügen die Blues über einen XXXL-Kader.

Seit der Vereinsübernahme im Mai 2022 durch ein Investorenkonsortium, dessen Gesicht der neue Klubvorsitzende Todd Boehly ist und hinter dem mehrheitlich das US-Milliardenvehikel Clearlake steckt, hat Chelsea insgesamt 42 Spieler verpflichtet.

Chelsea steht unter Boehly in der Ablösetabelle weit vorne

Die Gesamtablöse der vollzogenen Transfers, darunter auch zwei Vorgriffe auf die nächste Saison, beläuft sich auf ungeheuerliche fast 1,5 Milliarden Euro. Mit dieser Summe belegt Boehlys Chelsea schon jetzt einen Top-Ten-Platz in der Allzeit-Ablösetabelle der Premier League. Unter seinem erst kurzen Vorsitz hat der Klub mehr Geld in frisches Personal gesteckt als zum Beispiel der FC Everton als durchgängiges Mitglied der Premier League seit deren Gründung vor drei Jahrzehnten.

Trotz einigen Verkäufen zum Ende der vergangenen Transferperiode umfasst das Mammutaufgebot des Klubs so viele Spieler, dass der seit dieser Saison neue Trainer Enzo Maresca – ebenfalls für zehn Millionen bei Leicester City ausgelöst – quasi jeden Wettbewerb mit einer eigenen Mannschaft bestreiten könnte. Und in gewisser Weise tut er das auch.

Die bisherige Saison deutet an, dass Maresca die Partien in der heimischen Liga und Conference League mit unterschiedlichen Teams angeht. Die meisten Stammspieler in der Premier League sind an den drei internationalen Spieltagen kein einziges Mal zum Einsatz gekommen. Einige von ihnen standen noch nicht mal im Kader, darunter mit Cole Palmer und Nicolas Jackson die beiden prominentesten Spieler des Teams.

João Félix und Christopher Nkunku spielen kaum eine Rolle

Umgekehrt verhält es sich genauso: Die im Europapokal am häufigsten aufgelaufenen Profis – João Félix, Axel Disasi und der Ex-Leipziger Christopher Nkunku – spielen in der Liga kaum eine Rolle. Auch im Auswärtsspiel beim 1. FC Heidenheim am Donnerstag (18.45 Uhr/RTL+) ist davon auszugehen, dass Maresca erneut auf die zweite Garde setzen wird. Die Reise auf die eisige Ostalb zum Bundesliga-Team von Trainer Frank Schmidt gleicht einem Mentalitätstest für die Milliardentruppe. Bisher gab es für den Tabellenführer der Conference League drei Siege aus drei Spielen.

Todd Boehly ist seit Mitte 2022 der große Entscheider beim FC Chelsea.
Todd Boehly ist seit Mitte 2022 der große Entscheider beim FC Chelsea.

Das einzig stringente Merkmal bei Chelseas neu formiertem Aufgebot ist das Alter: Kein Feldspieler ist älter als 27. Die Idee hinter dem Vollumbruch ist es gewesen, die früher gewaltigen Gesamtgehaltskosten des Klubs unter dem Oligarchenbesitzer Roman Abramowitsch zu senken. Wie aus den Vereinsbilanzen hervorgeht, belief sich der Betrag 2023 auf knapp eine halbe Milliarde Euro, wovon der Großteil auf die kickende Belegschaft zurückfiel; das Sportmagazin Athletic berichtete kürzlich davon, dass die Löhne inzwischen schon um 100 Millionen reduziert werden konnten.

Cole Palmer und Nicolas Jackson haben Verträge bis 2033

Chelsea generierte aus Spielerverkäufen ungefähr eine halbe Milliarde, sodass der Klub bisher im Rahmen der Liga-Finanzregeln blieb. Denn Transfererlöse lassen sich sofort in die Gewinn- und Verlustrechnung einbauen, während die Ausgaben über die Vertragslaufzeit der Profis sukzessive abgeschrieben werden. Und Chelseas Kaderspieler sind beinahe überwiegend auf sportliche Lebenszeit angestellt, Palmer und Jackson besitzen etwa Langstreckenverträge bis 2033.

.Die talentierten, aber zum Zeitpunkt der Verpflichtung weitgehend unbekannten Akteure erhalten bei Chelsea leistungsabhängige Verträge, deren Grundgehälter deutlich unter denen ihrer Vorgänger liegen. Die kassierten bis zu 20 Millionen Euro pro Saison.

Englische Zeitung spricht von tickender Zeitbombe

Angesichts des finanziellen Wagnisses bezüglich dem nicht immer klar voraussagbarem Potenzial der Spieler bezeichnete der Londoner „Evening Standard“ den Verein vor anderthalb Jahren als „tickende Zeitbombe“. Auch die Konkurrenz belächelte häufig hinter vorgehaltener Hand das Vorgehen Chelseas.

.Doch nun scheint die Kalkulation von Boehly und Co. zunehmend aufzugehen. Die Mannschaft wächst zusammen und die Spieler deuten ihr Potenzial an. In der Premier League steht Chelsea derzeit überraschend auf dem dritten Platz und könnte sich in dieser Saison sogar erstmals nach dann drei Jahren wieder für die Champions League qualifizieren. Bis das Team allerdings irgendwann die finanziellen Aufwendungen der neuen Eigentümer eingespielt hat, dürfte es mindestens noch einige Jahre dauern.