Essen. Der kommende BVB-Gegner FC Chelsea wirft mit Geld um sich, verpflichtet Spieler für Rekordsummen. Wie machen die das?

Dass im professionellen Fußball Summen bewegt werden, die Schwindel hervorrufen können, ist keine neue Erkenntnis. Schaut man allerdings auf die Aktivitäten des FC Chelsea in diesem Winter, dann fühlt sich das an, als sei man in einem Kettenkarussell mit dreifacher Geschwindigkeit durchgeschüttelt worden.

Rund 610 Millionen Euro hat der englische Erstligist in dieser Saison für Neuzugänge bezahlt, die gesamte Bundesliga kommt auf etwa 555 Millionen Euro. Allein in diesem Winter kommen 330 Millionen Euro zusammen, der Klub taucht mit fünf Transfers in der Rangliste der zehn teuersten Wechsel in Europa auf. Am letzten Tag des geöffneten Transferfensters stemmte Chelsea noch den Kauf des argentinischen Weltmeisters Enzo Fernández von Benfica Lissabon für 121 Millionen Euro.

Rekord in England.

Die Bilanz wird geschönt

Der 22-Jährige unterschrieb einen, Achtung, Achteinhalbjahresvertrag. Nicht ohne Grund, denn bei den Geschäften des Vereins werden die Finanzregeln der Europäischen Fußball-Union Uefa umgangen, die Bilanz wird geschönt. Und letztlich geht der US-amerikanische Eigentümerverbund um den Geschäftsmann Todd Boehly eine riskante Wette auf die Zukunft ein.

Zwei Fragen drängen sich daher auf. Erstens: Warum können die das? Und zweitens: Wie soll sich die Bundesliga dagegen behaupten?

Hans-Joachim Watzke leitet als Geschäftsführer von Borussia Dortmund nicht nur den kommenden Gegner des FC Chelsea im Champions-League-Achtelfinale, er muss als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball Liga auch den gesamten deutschen Profifußball vertreten. „Wir gehen in Deutschland unseren eigenen Weg“, sagt der 63-Jährige dieser Redaktion. „Wir haben die meisten Zuschauer, bei uns fallen die meisten Tore, wir haben eine demokratische Kultur und die niedrigsten Eintrittspreise. Welcher Weg der richtige ist, wird sich erst in zehn, zwanzig Jahren entscheiden.“

Die Premier League profitiert neben den lukrativen Fernsehverträgen von reichen Eigentümern, diese stopfen riesige Summen in die Klubs. Chelsea wurde im Mai 2022 nach dem Aus von Roman Abramowitsch, aufgrund des Angriffskrieges auf die Ukraine wurde der russische Oligarch rausgedrängt, von der Clearlake Capital Group übernommen. Insgesamt knapp fünf Milliarden Euro soll das Konsortium aus den USA gezahlt haben, in der Hoffnung, dass sich der Wert des Klubs in Zukunft weiter steigert. Was es dafür braucht? Sportlichen Erfolg.

Deswegen krempelt der Verein seinen Kader für viele Millionen um. Mittelfeldspieler Enzo Fernández kostete 121 Millionen Euro, Verteidiger Wesley Fofana 80 Millionen, Linksaußen Mykhaylo Mudryk  70 Millionen. Sie alle unterschrieben Verträge von erstaunlicher Länge, betrachtet man die üblichen Vertragslaufzeiten im Profifußball, die meist um die drei bis vier Jahre liegen.

Dadurch können die Verantwortlichen die Ausgaben in der Bilanz auf viele Jahre verteilen. Die 121 Millionen Euro für Enzo Fernández werden so auf achteinhalb Jahre verrechnet. Es braucht also weniger Einnahmen, um im Jahresabschluss kein Minus aufzuweisen. Zudem wird der FC Chelsea, wie das allerdings überall üblich ist, die Transfersumme als Ratenzahlungen abstottern. Daher soll es den Londonern wichtig gewesen sein, bei Fernandez nicht die 120 Millionen Euro schwere Ausstiegsklausel zu ziehen, die sofort hätte beglichen werden müssen. Die Planer legten eine Million obendrauf und vereinbarten ein Zahlungsmodell über mehrere Jahre.

Uefa plant neue Regeln

Neu sind solche buchhalterischen Schiebereien nicht, Chelsea betreibt sie nur so schamlos wie kaum ein anderer Verein. Auch deutsche Klubs könnten in der Theorie sehr langfristige Verträge aufsetzen. Die Uefa plant allerdings, die Auswüchse einzudämmen und eine Regel festzuzurren, dass Arbeitspapiere höchsten fünf Jahre gelten dürfen.

Denn Chelsea kann dieses risikoreiche Modell auch hinunterreißen, niemand weiß zum Beispiel, welche Entwicklung Enzo Fernández nimmt.  Gut möglich, dass im Kader bald Spieler ihre Gehälter aussitzen, die sportlich keine bedeutsame Rolle mehr einnehmen. Außerdem lohnen sich die Investitionen nur, wenn der Verein konstant in der Champions League mitmischt; derzeit steht die Mannschaft in England auf Platz zehn. Die Premier League vergibt wie die Bundesliga nur vier Startplätze für die Königsklasse, und die Konkurrenz ist enorm.

Bevor man nun einwirft, dass bei derartigen Summen doch alles gut überlegt vonstattengehen wird, folgendes: Paris St. Germain wollte am  letzten Wintertransfertag Marokkos WM-Hingucker Hakim Ziyech vom FC Chelsea verpflichten, nur schafften es die Engländer nicht, alle Dokumente rechtzeitig einzusenden. Ein millionenschweres Missgeschick. Paris will Einspruch einlegen, einige vermuten gar Sabotage.

Vielleicht war den Londonern bei all den Beträgen aber auch einfach nur schwindelig.