New Orleans. Andy Reid fehlen 47 Erfolge für die meisten Siege als NFL-Trainer. Nach dem Super Bowl in der Nacht zu Montag geht eine Diskussion los.
Als es darum geht, American-Football-Geschichte zu schreiben, wird Andy Reid genau davon eingeholt. Der 66-Jährige, von bäriger Statur und mit Vorliebe für Flamingos auf Hawaii-Hemden sowie Heiner-Brand-Gedächtnisschnäuzer, schmunzelt, als er auf den Namen Trotter angesprochen wird. Bevor Reid 2013 als Head Coach bei den Kansas City Chiefs anheuerte, war er für die Philadelphia Eagles verantwortlich. Jene beiden Teams also, die sich in der Nacht von Sonntag auf Montag (0.30 Uhr deutscher Zeit/RTL) im Super Bowl in New Orleans gegenüberstehen.
Jeremiah Trotter war zu Reids Zeiten an der US-Ostküste rund um die Jahrtausendwende „einer meiner Lieblingsspieler“, sagt er nun über den damaligen Abwehrspezialisten. Am Sonntag können der Chiefs-Chef und sein Team als bisher einmaliges Kunststück der NFL-Geschichte zum dritten Mal in Folge die Vince Lombardi Trophy gewinnen. Aber nur, wenn Familie Trotter nicht dazwischenhaut. Denn Jeremiah junior haben sich die Eagles im vergangenen Draft, der Vergabe der College-Talente an die Teams, gesichert.
Super Bowl 2025: Andy Reid trifft mit den Chiefs auf seine Eagles-Vergangenheit
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Gleich in seiner ersten Saison bekommt der 22-Jährige die Chance, im Ceasars Superdome im Super Bowl LIX zu stehen. Sohnemann Jeremiah spielt wie sein heute 48 Jahre alter Vater als Linebacker, wo man mit den gegnerischen Angreifern nicht zimperlich umgeht. Er trägt sogar die gleiche Rückennummer, die 54. Der Junior könne sich nur noch schemenhaft daran erinnern, wie er damals um die Eagles-Umkleide herumgeschlichen war. Aber es sei „definitiv sehr surreal, gegen einen alten Trainer meines Vaters zu spielen“. Worte, die Andy Reid vor allem eines verdeutlichen: „Dass ich ganz schön alt bin.“
Vielleicht fällt es ihm leichter, das Alter zu akzeptieren, wenn er an sein 20-Millionen-Dollar-Jahresgehalt und seine bisher 301 Siege in der NFL (160 mit Kansas City und 141 mit Philadelphia) denkt. Nach vielen davon hat er sich zu gerne mit Cheesburgern bei den Fastfood-Ketten In & Out Burger und Five Guys belohnt - eine von seinen vielen charmanten Seiten, mit denen er sich werbewirksam selbst auf die Schippe nimmt. Die Vorliebe für gutes Rindfleisch ist neben den vielen Erfolgen die zweite große Parallele Reids zu Don Shula. Die am 4. Mai 2020 im Alter von 90 Jahren verstorbene Trainerlegende führte gemeinsam mit seinem Sohn Dave Steak- und Burger-Restaurants.
Super Bowl 2025: Don Shula hat 347 Siege, Bill Belichick 333, Andy Reid 301
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Eine Filiale gibt es noch heute im Hard Rock Stadium, der Heimat der Miami Dolphins, die er von 1970 bis 1995 coachte. Weil Shula und seine Dolphins 1973 auch im Super Bowl VII gegen die Washington Redskins als Sieger (14:7) vom Platz gingen, sind sie bis heute das einzige in einer kompletten Saison ungeschlagene Team der NFL-Geschichte. Und Shula mit 347 Erfolgen Rekordtrainer, ihm zu Ehren lautet die offizielle Stadionadresse daher: 347 Don Shula Drive.
In Südflorida wurde seit jeher befürchtet, dass Bill Belichick mit New England den Rekord brechen könnte. Doch der 72-Jährige, sechsmal mit den Patriots NFL-Champion, lässt seine Karriere gerade an der University of North Carolina ausklingen. In den Augen der meisten Dolphins-Fans wäre Reid ohnehin ein weit angenehmerer Nachfolger für den Thron. In dreieinhalb Jahren könnte es auch schon so weit sein: 13,4 Siege pro Jahr mit den Chiefs sind ein atemberaubendes Tempo. Zudem entkräftete Chiefs-Besitzer Clark Hunt dieser Tage in New Orleans jegliche Spekulation über Reids ungeklärte Zukunft, ob er vielleicht nach der vierten Meisterschaft binnen sechs Jahren aufhören könnte: „Ich war überrascht, als ich diese Gerüchte hörte, weil ich weiß, wie viel Spaß Andy hat. Er ist in vielerlei Hinsicht durch den Erfolg des Teams verjüngt worden.“
Super Bowl 2025: Andy Reid hat noch einen bis 2029 gültigen Vertag bei den Chiefs
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Der Shula-Rekord ist allerdings nicht die Triebfeder für Reid, seinen bis 2029 in Missouri gültigen Vertrag vorerst weiter zu erfüllen: „Ich genieße es, zu lehren, lasse mich nicht zu sehr von Statistiken oder Rekorden leiten. Stattdessen genieße ich es, mit den Jungs zusammen zu sein. Man kann nicht wie wir Stunden in unsere Arbeit investieren, ohne Football zu lieben.“ Bleiben die Chiefs bei ihrer Erfolgsquote, könnten sie Andy Reid schon Mitte 2028 zum Rekordtrainer machen.
Ihr Hang zu Statistiken und Bestwerten liefert den amerikanischen Sportfans immer sogleich Diskussionsstoff, wer denn nun in der Super-Bowl-Ära als Größter der Head-Coach-Gilde geführt werden soll. Don Shula? Bill Belichick? Oder doch Andy Reid? Letzter galt als unfähig, das große Ding mit Philly zu drehen. In Kansas City hat er aus einem Desaster eine Dynastie geformt, könnte am Sonntag dank seiner berüchtigten, teils riskanten Offensiv-Innovationen zum vierten Mal mit den Chiefs den Super-Bowl-Ring gewinnen. Fachlich ist er nach 20 Play-off-Teilnehmen ohnehin über alle Zweifel erhaben, Anstand und Beständigkeit machen ihn bei seinen Spielern beliebt. Belichick (333 Karrieresiege) hat davon noch zwei mehr im Tresor liegen und wird als Defensiv-Genie verehrt, das jeder gegnerischen Abteilung Attacke den Stecker zog. Und Shula verdanken die Dolphins-Fans neben 347 Siegen ebenjene von anderen unerreichte 17:0-Saison.
Super Bowl 2025: Shula und Marino, Belichick und Brady, Reid und Mahomes – drei außergewöhnliche Paare
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Was alle drei Trainer eint: Sie waren beziehungsweise sind jeweils mit Hall-of-Fame-Quarterbacks. Shula bei den Dolphins mit Dan Marino, Belichick bei den Patriots mit Tom Brady, Reid bei den Chiefs mit Patrick Mahomes. Wie ein gutmütiger Onkel treibt der Chiefs-Boss seinen Super-Bowl-Dauergästen jegliche Selbstzufriedenheit aus. Er prägte in Kansas City eine Kultur, die auf dem unermüdlichen Streben nach Größe basiert. „Wir schätzen den Prozess und wissen, wie hart es ist, zum Super Bowl zu kommen“, sagt Mahomes. „Wir verlassen uns nicht auf das, was uns im Jahr zuvor dorthin gebracht hat, sondern gehen wirklich zum Nullpunkt zurück. Andy Reid motiviert einen, jeden Tag das Beste zu geben.“
Der 29-Jährige steht noch bis 2031 als Quarterback bei den Kansas City Chiefs unter Vertrag. Genug Zeit also, Andy Reid zum Rekordtrainer zu machen.