Dortmund. Ganz Deutschland singt und tanzt im Regen: Nach dem Sieg gegen Dänemark an einem denkwürdigen Abend scheint alles möglich. Die Gründe.

Die Pfützen vor dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund sind auch am Sonntagmittag noch nicht getrocknet. Ein Vater mit seinem kleinen Sohn, der eine schwarz-rot-goldene Perücke trägt, singt „Oh, wie ist das schön“. Nebenan am Dortmunder Hauptbahnhof sitzen noch viele Deutschland-Fans auf Bänken oder dem Boden und erwecken den Eindruck, als ob sie einfach wachgeblieben seien.

Zwölf Stunden ist es erst her, dass die Anhänger der deutschen Fußball-Nationalmannschaft unter der Südtribüne des Dortmunder Westfalenstadions zu einem umgedichteten Pippi-Langstrumpf-Lied tanzten, während über dem größten deutschen Fußballtempel noch immer ein Gewitter tobte. Es war ein denkwürdiger Fußballabend, den die Zuschauer in Dortmund erlebt hatten. Und der Bilder erzeugte, die irgendwann hier im Fußballmuseum an der Wand hängen könnten, wenn die DFB-Auswahl in zwei Wochen auch das letzte Spiel dieser EM gewinnt. 

Julian Nagelsmann: Wildes und skurriles Spiel gegen Dänemark

Aber auch ohne den Einzug der Deutschen in das Endspiel von Berlin wird man sich an diese Partie noch lange erinnern. Da war zum einen der 2:0 (0:0)-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Dänemark im Achtelfinale durch die Tore von Kai Havertz (53.) und Jamal Musiala (68.) in einem phasenweise „wilden und skurrilen“ Spiel, wie es Bundestrainer Julian Nagelsmann hinterher formulierte. Ein verdienter, wenngleich auch glücklicher Erfolg angesichts der Umstände zwischen den Minuten 47 und 50, als Schiedsrichter Michael Oliver gleich zweimal einen Hinweis des VAR bekam und zweimal zugunsten der DFB-Auswahl entschied.

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Und dann waren da die deutschen Fans, die schon nach 35 Minuten „Oh, wie ist das schön“ skandierten. Dabei hatte ihre Mannschaft zu diesem Zeitpunkt zwar schön gespielt und „die besten 20 Minuten des Turniers“ hingelegt (Nagelsmann), aber noch kein Tor gemacht. Der alte Gassenhauer galt in diesem Moment den eher unschönen Begleiterscheinungen. Ein Donnerknall am Himmel, so krachend wie der Fernschuss von Joshua Kimmich in der siebten Minute, hatte vielen Fans für einen Moment das Bier aus der Hand fallen lassen und einen sintflutartigen Regen eingeleitet, der für eine fast 30-minütige Spielunterbrechung sorgte.

Deutschland gegen Dänemark: Auch Highlights neben dem Platz

Die Zuschauer ließen sich die gute Stimmung nicht nehmen. Im Gegenteil. Zwei junge Dänen nutzten die Chance, duschten ihre freien Oberkörper im Wasserfall des Westfalenstadions und bewarben sich für einen festen Fotoplatz im Dortmunder Fußballmuseum. Aber auch die deutschen Fans sorgten mit ihrem Oh-wie-ist-das-schön-Moment für ein Highlight dieser EM.

Eine Dusche für die dänischen Fans.
Eine Dusche für die dänischen Fans. © DPA Images | Federico Gambarini

Als dann nach dem zweiten Wiederanpfiff erst der Däne Joachim Andersen vor der deutschen Kurve feierte (zu früh) und wenig später Havertz Richtung dänische Fans rutschte (nicht zu früh), hatte der Abend eine weitere Geschichte geschrieben, die für ein allgemeines Gefühl sorgte, dass der deutschen Mannschaft bei diesem Turnier nichts passieren kann. „Wir haben gegen die Widerstände gut angekämpft. Die Resilienz in der Truppe ist schon stark“, sagte Nagelsmann, der mit seinen Maßnahmen viel dazu beigetragen hat, dass man auch tatsächlich von einer Truppe sprechen und schreiben kann. „Die Mannschaft kann mit allen Widrigkeiten umgehen. Wir haben einen guten Charakter“, sagte der Chefkämpfer in der deutschen Abwehr, Antonio Rüdiger.

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    Der Innenverteidiger warf sich im Dortmunder Dauerregen in jeden Ball. Einen Pass blockte er so energisch, dass sich daraus eine Konterchance für seine Mannschaft ergab. Als Nagelsmanns Männer Mitte der zweiten Halbzeit dann fast alle Widerstände überwunden hatten, zeigte sie auch wieder, wie gut sie ganz nebenbei kicken kann. Eine Symbiose, die Deutschland berechtigte Hoffnungen macht, dass es nach der ersten Viertelfinalteilnahme seit 2016 auch wieder zur ersten Halbfinalteilnahme seit 2016 kommt. „Wir haben jetzt noch drei Endspiele“, sagte Rüdiger, der von der Uefa zum Spieler des Spiels gewählt wurde und offenbar im Kopf schon die erste Finalteilnahme seit der WM 2014 gebucht hat.

    Deutschland braucht mehr Effektivität vor dem Tor

    Will die deutsche Mannschaft aber wirklich am 14. Juli in Berlin spielen, wird sie an ihrer Effektivität arbeiten müssen. Die Art, wie insbesondere Havertz gleich mehrere Großchancen liegen ließ, wurde von den Dänen bereits beinahe bestraft und könnte in der Runde der letzten Acht beinhart bestraft werden. Am Ende aber war auch Havertz einer der Gewinner. Zusammen mit seinem Kollegen-Konkurrenten Niclas Füllkrug liegt er mit zwei Turniertoren hinter Jamal Musiala (drei) in aussichtsreicher Position für den Titel des Torschützenkönigs. Doch selbst Musiala, der bislang herausragende deutsche Spieler der EM, dachte im Moment des Viertelfinaleinzugs zuerst an die Gruppe. „So ein Spiel ist sehr wichtig für den Teamgeist“, sagte der 21 Jahre junge Münchener, der vor eineinhalb Jahren bei der WM in Katar noch der Herausragende unter den Unglücklichen war.

    Die Entscheidung gegen Dänemark: Jamal Musiala legt den Ball an Torhüter Kasper Schmeichel vorbei und trifft zum 2:0.
    Die Entscheidung gegen Dänemark: Jamal Musiala legt den Ball an Torhüter Kasper Schmeichel vorbei und trifft zum 2:0. © DPA Images | Federico Gambarini

    Für Nagelsmann war es eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass seine Mannschaft nicht nur wieder ein Team ist, sondern sich auch von den Erinnerungen der Vergangenheit löst. „Sie kriegen langsam die alte Festplatte gelöscht und verstehen, wie gut sie eigentlich sind“, sagte Nagelsmann.

    Die schlechte Nachricht zum Schluss: Nach Dortmund wird die deutsche Mannschaft bei dieser EM nicht mehr zurückkehren. Aber sie hat die Stadt mit dem Gefühl verlassen, dass die Bilder eines deutschen Turniersiegs in wenigen Wochen im Deutschen Fußballmuseum von Dortmund neben den duschenden Dänen-Fans hängen könnten.

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