Hamburg.
Als die dramatische Schlacht geschlagen war, dieses Handballspiel auf allerhöchstem Niveau, wurde Dierk Schmäschke ein wenig sentimental. „War das eine tolle Stimmung!“, schwärmte der Vizepräsident des HSV Handball. Die über 13 000 Fans, welche den 26:25 (12:16)-Sieg der Hanseaten gegen den THW Kiel sowie die Tabellenführung euphorisch bejubelten, rührten Schmäschke.
Auch Sportdirektor Christian Fitzek strahlte nach dem Schlagabtausch zweier Teams, die wahrscheinlich jeder Nationalmannschaft überlegen wären. Die Atmosphäre sei „noch gigantischer“ gewesen als beim letzten Heimsieg gegen Flensburg, sagte Fitzek.
Handball boomt in Hamburg. Die letzten drei Partien in der O2-World waren mit jeweils über 13 000 Zuschauern ausverkauft. Alle Karten, betont Schmäschke stolz, seien bezahlt. „Nur dann ist eine solche Stimmung auf den Rängen möglich.“ Um die aktuelle Begeisterung zu unterstreichen, erzählte Schmäschke einen Schwank aus der frühen Zeit des HSV, als er noch als Manager in Flensburg-Handewitt tätig war. „Damals hat mich ‘mal der HSV angerufen und beklagt, die Halle sei nicht voll, da haben wir dann 2000 Karten für drei Euro das Stück gekauft und einen Sonderzug eingesetzt.“ Bis 2004 kämpfte der HSV Handball, der als Retortenklub 2002 aus Bad Schwartau nach Hamburg verpflanzt worden war, um die nackte Existenz.
Die entrückte Seligkeit auf den Rängen war freilich auch Ausdruck der Erleichterung. Seit 2003 hatten sie zu Hause nicht mehr gegen den THW gewonnen, zuletzt im Mai hatten sie den Titel durch ein 31:33 doch noch verloren.
Wie ein Roboter war der THW Kiel in den letzten Jahren aufgetreten, frei von Selbstzweifeln, ausgestattet mit einem formidablen Selbstbewusstsein, das sich aus sechs Meistertiteln in Serie speist. Und auch in Hamburg führten die „Zebras“ zur Pause mit vier Toren. Dass die Kieler diesen Vorsprung noch aus der Hand gaben, ließ sie angreifbar erscheinen. Menschlich.
Der HSV verkörpert spätestens seit 2007 ebenfalls Weltklasse, aber erst jetzt scheint er in der Lage, dem THW nicht nur körperlich und spielerisch auf Augenhöhe zu begegnen, sondern auch mental.
Kein Triumphgeheul
Und dennoch brachen die Sieger nicht in Triumphgeheul aus, sondern hielten sich vornehm zurück. Zu oft hat sie der THW auf der Schlussgeraden doch noch überholt. Keinesfalls bedeute dies eine Entscheidung im Titelkampf, erklärte HSV-Torwart Johannes Bitter, der sein Team in den letzten 20 Minuten mit seinen Paraden zurück ins Spiel gebracht hatte. „Wir sollten jetzt nicht sofort an die Meisterschaft denken – dann geht das schief.“ Für HSV-Coach Martin Schwalb war der Sieg ebenfalls „nur eine Etappe.“ Richtig offensiv äußerte sich nur Schmäschke: „Wir wollen da ganz oben hin, das muss unser Anspruch sein.“