München. Das Schock-Aus gegen Villarreal ist den Bayern auch am Tag danach anzumerken. Sie dürfen aber nicht wieder einen bestimmten Fehler begehen.
Erst am Tag danach wollte Julian Nagelsmann mit seinen Spielern über das Aus sprechen. Der Schock, bereits im Viertelfinale aus der Champions League ausgeschieden zu sein, und dann auch noch gegen den Außenseiter FC Villarreal, saß bei allen Beteiligten zunächst zu tief. Unmittelbar nach dem 1:1 (0:0) im Rückspiel und sechs Tage nach der 0:1-Niederlage in Spanien hielt es der Trainer des FC Bayern nicht für sinnvoll, in eine erste Analyse mit dem kickenden Personal zu gehen. Man müsse die Ereignisse erst einmal „sacken lassen und Ruhe finden“, sagte Nagelsmann. Das galt auch für ihn.
Am Mittwoch lief Nagelsmann beim Reservistentraining gedankenversunken über den Trainingsplatz, während das Stammpersonal oben im Fitnessraum regenerierte. In ersten Gesprächen begann am Tag danach die Aufarbeitung mit der Gewissheit, dass sein erstes Amtsjahr beim FC Bayern nicht zufriedenstellend enden wird. Abgesehen vom Gewinn des Supercups wird nur der Meistertitel in Nagelsmanns Bilanz stehen – aller Voraussicht nach jedenfalls, bei neun Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten Dortmund fünf Spieltage vorm Saisonende.
Zum zehnten Mal in Serie die Bundesliga als Erste abzuschließen, ist für die Münchener das Pflichtprogramm. Aus dem DFB-Pokal bereits in der zweiten Runde ausgeschieden zu sein, durch ein 0:5-Debakel in Mönchengladbach, wird den Ansprüchen ebenso wenig gerecht wie nun dieses Viertelfinal-Aus in Europa.
Beim FC Bayern werden viele Fragen gestellt
„Sollten wir Meister werden, ist es quasi das gleiche Ergebnis wie in der letzten Saison – und das ist für Bayern München, glaube ich, nicht ausreichend“, sagte Nagelsmann. In der Champions League sei „das Halbfinale ja immer das Minimalziel“, erinnerte er, „das haben wir nicht geschafft.“ Nicht einmal gegen den Provinzklub aus dem 50000-Einwohner-Städtchen. Es sei „unglaublich“, die Bayern in deren Stadion ausgeschaltet zu haben, sagte der 36 Jahre alte Kapitän Raúl Albiol, „für das Dorf Villarreal ist es eine Heldentat – und für uns auch.“
Für die Münchener fühlte es sich umso mehr an wie eine Blamage, zumal sie bei ihrer schnellen Abfahrt aus der Arena die Mannschaftsbus-Party der Gäste mitansehen mussten. Dass Villarreal amtierender Europa-League-Sieger ist, ändert wenig am Gefühl der Münchener Pein. Und ebenso, dass sie im Rückspiel deutlich engagierter aufgetreten waren als in der ersten Verabredung. Robert Lewandowskis 13. Saisontor in der Champions League (52.) war aber zu wenig. Villarreals Kontertor durch Samuel Chukwueze (88.) bedeutete das Aus.
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Viele Fragen werden nun gestellt, und debattiert werden dabei neben den Ursachen vor allem die Folgen. Welche Fehler wurden gemacht, von Nagelsmann und seinen Spielern, nicht nur in den Partien gegen Villarreal, sondern schon früher in der Saison und womöglich grundsätzlicher? Aber auch von ihren Vorgesetzten bei der Zusammenstellung des Kaders, der hinter der ersten Elf rasch stark abfällt und wenig ernsthafte Alternativen bietet? Oder bei den großen Diskussionsthemen in dieser Saison, von der Impfdebatte bis zum Sponsoring aus Katar samt eskalierter Jahreshauptversammlung? Und bei den aktuell offenen Vertragsthemen, die immer mehr Störgeräusche verursachen, besonders im Fall des Weltfußballers Lewandowski?
Es sind Fragen, die sich oft auch an Vorstandschef Oliver Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Präsident Herbert Hainer richten. Moderieren musste diese Themen vor allem der 34 Jahre alte Trainer Nagelsmann in seinem ersten Amtsjahr.
Steht der FC Bayern vor einem Umbruch?
Man werde nun „nicht in Tränen ausbrechen“, sagte Kahn nach dem Aus gegen Villarreal, sondern „im nächsten Jahr in der Champions League wieder angreifen“. Doch wird das aussichtsreich möglich sein, zumal Leistungsträger wie Lewandowski, Thomas Müller und Manuel Neuer eher nicht mehr stärker werden dürften im fortgeschrittenen Fußballeralter? Und wie wird die Mannschaft in der kommenden Saison überhaupt aussehen, weil der FC Bayern ja wirtschaftlich im Vergleich zur potenteren Konkurrenz in Europa zunehmend unter Druck gerät? Massive Investitionen, mit denen die Münchner früher auf eine solche Enttäuschung reagiert hätten, scheinen kaum möglich. Dennoch hat Kahn den Anspruch für die Zukunft festgelegt, regelmäßig zu den Top Vier in Europa zu zählen.
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Nagelsmann weiß, dass er in seinem zweiten Amtsjahr unter verschärfter Beobachtung stehen dürfte. Auch deshalb formulierte er am Dienstagabend eine Forderung, die so ähnlich bereits von seinem Vorgänger Hansi Flick geäußert worden war, als dieser immer wieder nach Verstärkungen gerufen hatte. Erhört worden war der heutige Bundestrainer nicht wirklich, was zu einem Zerwürfnis mit Salihamidzic führte. Nagelsmann sagte es nun so: „Wichtig ist, dass man immer auf der einen Seite das reinsteckt, was auf der anderen Seite rauskommen soll. Und wenn der Anspruch der Gleiche ist, dann werden wir, wie alle anderen europäischen Topteams, uns auch umschauen müssen.“ Kahn, Salihamidzic und Hainer werden es vernommen haben. Auch sie sind nun gefragt.