Essen. Extremschwimmer André Wiersig kämpfte sich durch Ozeane und nach Helgoland. Aber manchmal ist das Meer stärker.
Als André Wiersig dieses Mal am Strand steht, seinen Blick über die doch recht raue See schweifen lässt, ahnt er es schon: Dieses Abenteuer auf den Seychellen könnte anders als geplant verlaufen.
Ein Improvisationskünstler ist er zwar, der 49 Jahre alte Extremschwimmer, auch ein Meister der Motivation. Einige würde sogar sagen: ein Bezwinger der Ozeane. Aber dem würde André Wiersig niemals zustimmen.
Wahr ist, dass er sie durchschwommen hat, die Ocean’s Seven. Die weltweit berühmtesten sieben Meerengen. Nur mit Badehose, Badekappe und Schwimmbrille bekleidet, so sind die Regeln. Als einziger Deutscher und einer von nur 21 Menschen überhaupt.
In 18 Stunden zur langen Anna
Der gebürtige Bochumer zählt zu den besten Kanalschwimmern und schaffte im vergangenen Jahr etwas, das bis dahin kaum vorstellbar war: Er schwamm am 21. August vom Festland – Start war in St. Peter-Ording – zur Hochseeinsel Helgoland. Durch die eiskalte Nordsee, „eines der gefährlichsten Gewässer überhaupt“, wie André Wiersig betont.
48,5 Kilometer Luftlinie legte er dabei in 18 Stunden und 14 Minuten zurück. „Es war unglaublich. Es verlief wegen der sich ändernden Strömung zwar nicht ganz nach Plan, aber es war ein atemberaubendes Abenteuer.“
Als erster Schwimmer schaffte er das, was für viele selbst auf einem Schiff schon zur Herausforderung wird, weil das Meer das Boot derart ins Schwanken bringt, dass die Seekrankheit meist nicht lange auf sich warten lässt. Zu behaupten, diese Naturgewalt bezwungen zu haben, würde André Wiersig, dessen Lebensmittelpunkt inzwischen in Paderborn liegt, darum nicht in den Sinn kommen. „Ich schwimme mit dem Meer. Niemals dagegen. Wer wäre ich, wenn ich das versuchen würde“, sagt er.
Dass er lieber für statt gegen etwas arbeiten möchte, hat der frühere Beckenschwimmer schnell erkannt: „Damals, als Wettkampfsportler, ging es ums Gewinnen und natürlich auch um die Gegner. Man wollte besser sein und hat sich viel mit Renntaktik beschäftigt.“ Die Leidenschaft fürs Schwimmen und für das Extreme ist geblieben. Aber der Fokus, den André Wiersig setzt, ist inzwischen ein anderer.
„Da draußen, wenn du stundenlang im Meer bist, spürst du, wie mächtig diese Natur ist. Du erlebst, wie wir sie teilweise schlecht behandeln. Wenn dir beim Schwimmen der Müll vor die Nase treibt, die Europalette gegen den Kopf knallt oder du von Quallen zerstochen wirst, weil leider alle Fische, die die Quallen fressen würden, weggefischt sind.“ Für diese Natur, von der er schwärmt, setzt er sich inzwischen als UN-Botschafter ein.
Dass sich das Wetter durch menschlichen Einfluss verändert, so sagt André Wiersig, erlebte er vor wenigen Tagen auf den Seychellen am eigenen Leib, als er ein neues Abenteuer in Angriff nahm. Die Wassertemperatur war dieses Mal zwar knapp 30 Grad höher als bei der Helgoland-Mission, das Meer aber mindestens genau so wild.
Kollisionen mit dem Begleitboot
Nach nur zwei Stunden im Wasser musste André Wiersig seinen Versuch abbrechen, im Indischen Ozean knapp 47 Kilometer von der Seychellen-Insel Mahé rüber nach La Digue zu schwimmen. „Die Wellen kamen von allen Seiten, ich habe zu viel Wasser geschluckt. Das Begleitboot ist mehrfach auf meine Schulter geknallt“, berichtet er. Spät abends war er aufgebrochen und hatte gehofft, dass sich die Wellen über Nacht etwas legen würden. Dem war allerdings nicht so. „Eigentlich ist der April die ruhigste Zeit, aber das Wetter hat verrückt gespielt“, sagt der Extremsportler, der das erste Mal eines seiner Meeres-Abenteuer abbrechen musste.
„Mein Versuch hat zwar nicht geklappt. Aber meine Mission, auf die Natur und den Meeresschutz aufmerksam zu machen, war trotzdem ein Erfolg“, sagt der Schwimmer. „Es war mir an diesem Tag einfach nicht vergönnt. Aber ehrlich gesagt bin ich stolz, dass ich das rechtzeitig erkannt, den richtigen Entschluss gefasst und es nicht auf Biegen und Brechen versucht habe.“
>>> Über Widrigkeiten im Wasser
André Wiersig hat sein Helgoland-Abenteuer in seinem neusten Buch beschrieben. „Ich liebe das Meer und sehe mich als Teil davon“, sagt er und schildert anschaulich, mit welchen Widrigkeiten er nicht nur im Wasser zu kämpfen katte.
André Wiersig/Erik Eggers: „Helgoland: Kann man da hinschwimmen?“ Eriks Buchregal, 160 S., 19,90 Euro