Watutinki. Es hakt bei Thomas Müller. Und Bundestrainer Joachim Löw muss eine Antwort auf die schwere Frage finden: Austauschen – oder nicht?

Ein Augenzwinkern ist eine wirklich hübsche Botschaft. So klein, weil es sich für den Bruchteil einer Sekunde abspielt, was die Nachricht leicht übersehbar und daher vertraulich macht. So groß, weil es gleichermaßen forsch und charmant. Allerdings gibt es da auch noch dieses Augenzwinkern, das von der Existenz einer Täuschung kündet.

Thomas Müller (28) zwinkerte, als die Fernsehkamera die deutsche Mannschaft während der Hymne abschwenkte, damit die Zuschauer den Männern, die den Sieg gegen Mexiko bringen sollten, ins Gesicht schauen konnten. Das Zwinkern war daher nicht sehr vertraulich, es geriet durchaus charmant, aber letztlich stellte es sich als Teil einer Täuschung heraus.

Bei der WM 2010 spielte Deutschlands Müller unbeschwert

Denn das Bild gab es schon einmal, bei der WM 2010. Damals war Müller ein junger Mann, der plötzlich in Südafrika auftrat und so unbeschwert durch die für ihn völlig neue Welt vagabundierte, dass er es gar wagte, in jenem heiligen Moment der Hymne einfach zu blinzeln. Wird schon, lasst mich machen. Und er machte. Torschützenkönig war er am Ende mit fünf Treffern.

Nun zwinkerte Müller wieder, aber er machte nicht. Deutschland verlor 0:1. Und die Frage ist: War es eine Täuschung für diesen Abend oder eine, die das Potenzial zum Problem hat? Damit ist dieser Thomas Müller der personifizierte Zwiespalt für Bundestrainer Joachim Löw, der sich bei der Besetzung seiner Startformation für die Partie gegen Schweden am Samstag hin- und hergerissen fühlen dürfte, auf wie vielen Positionen er den Müllers, den erfahrenen Weltmeistern, vertrauen soll.

„Es ist schwer, die Worte zu finden, die alle beruhigen, aber gleichzeitig das Spiel korrekt analysieren“, sagte Müller zum deutschen Auftritt. Ein Satz, der auf sein Wirken ebenfalls anzuwenden wäre. Der Offensivspieler gehörte in einer enttäuschenden Mannschaft zu den größten Enttäuschungen. Das ist ungewöhnlich genug, denn selbst wenn er früher mal im Verein angestrengte Phasen hatte, dann traf er bei der WM.

Draxler kreierte deutlich mehr Chancen für Deutschland als Müller

Mit zehn WM-Toren hat er in der historischen Bestenliste Gerd Müller (14), Just Fontaine (13) und sogar den unvergleichlichen Pelé (12) in Reichweite. Aber Müller war nicht einmal nah dran, seiner Bilanz ein weiteres Törchen hinzuzufügen, denn er schoss kein einziges Mal, hatte keine einzige prägnante Szene. Julian Draxler - sein Pendant auf der anderen Seite - viele, viele mehr. Wenn Müller Raum hatte, fehlte ihm der Ball, hatte er den Ball, fehlte Raum. Dabei war er doch immer der, der wundersam wusste, wo Raum und Ball zueinanderfinden. Er war stets da, wenn eine Flanke kam, ein Ball vom Pfosten abprallte oder einfach vom Himmel fiel.

Dann traf er, zur Not mit Hüfte, Knie oder Schienbein. Das Zauberhafte, das Müller eigentlich ausmacht, ist fort. So wirkte das zumindest gestern (und nicht zum ersten Mal) – und Löw hat nun zu entscheiden, ob er daran glaubt, dass es wieder zum Vorschein kommt gegen Schweden. Oder ob Müller vielleicht doch nicht mehr der Müller ist, der er einmal war.

Durch die EM mühte er sich ohne Treffer, seitdem hat er in 14 Länderspielen beachtliche sieben Tore und sieben Vorlagen geliefert. Bei den Bayern (8 Tore und 16 Vorlagen in der abgelaufenen Bundesliga-Saison) war er phasenweise zum Reservisten degradiert worden, kam aber mit guten Leistungen zurück. Und nun? Muss er sich fragen lassen, ob er über den Zenit ist. Ob nicht Marco Reus oder Julian Brandt die dynamischeren Varianten wären?

Bundestrainer Löw wird Müller, Khedira oder Özil opfern müssen

Löw kennt diese Debatten um einen seiner Lieblingsspieler, und er hat sie stets ignoriert. Doch auch der Bundestrainer dürfte ahnen, dass er mindestens einen der Müllers, die auch Sami Khedira heißen oder Mesut Özil, durch neue Lust wird ersetzen müssen. Denn es geht ab jetzt schon um alles. „Statt vier möglichen K.-o.-Spielen“, sagt Thomas Müller, „haben wir jetzt eben zwei mehr.“