Essen. Rechtlich dürfen Fußballprofis Elternzeit beantragen. Nur es macht niemand. Was die Väter Matthias Ginter und Guido Burgstaller darüber denken.
Der Tag, der das Leben einmal im Schleudergang durchrüttelt, verläuft für Guido Burgstaller und Matthias Ginter unterschiedlich.
Bei Burgstaller tröpfelt im Mai 2019 der Bundesliga-Alltag im Schalker Mannschaftshotel vor sich hin. Es steht die Partie gegen Augsburg an. Am Tag vor dem Spiel klingelt das Smartphone.
Mila kommt.
Bei Matthias Ginter brennen im Januar 2020 Kerzen auf seiner Geburtstagstorte. Familienbesuch in seiner Heimatstadt Freiburg, für Montag steht frei im Trainingsplan. Seine Frau wird im Krankenhaus untersucht, eigentlich Routine.
Matteo kommt.
„Das Gefühl war überwältigend“, sagt Burgstaller. Als „sehr, sehr schön“ beschreibt es Ginter. Eine Woche später schwitzt Burgstaller bereits wieder im königsblauen Trikot – trifft sogar gegen Leverkusen. Ginter bekommt einen Tag ohne Einheit spendiert. Dann muss er zurück, das nächste Liga-Spiel von Borussia Mönchengladbach steht an. Es sei ihm schwergefallen, ohne die Familie loszufahren, berichtet der Nationalspieler. Aber: „Das war meine kurze Elternzeit.“
Ein Leben zwischen Stollenschuhen und Windeln
Wobei der 27-Jährige rechtlich ohne Probleme eine längere Auszeit hätte beantragen können. Doch obwohl sich in der Ersten und Zweiten Liga zahlreiche Spieler knubbeln, die am Donnerstag an Vatertag mit ihren Freunden einen Bollerwagen zusammenzimmern könnten, wenn sie nicht in den Quarantänehotels stecken würden, hat bislang kein Fußballer Elternzeit beantragt.
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Überhaupt fällt der Scheinwerfer meist nur auf die Geburt, wenn die Vereine mit blumigen Beiträgen in den Sozialen Medien ihren frischgebackenen Papas gratulieren. Wie das Leben zwischen Stollenschuhen und Windeln tatsächlich verläuft, wird selten beleuchtet. Ängste? Probleme? Darüber rollt der Ball hinweg. Die Strukturen? Verkrustet. Die Jagd nach Punkten überlagert zahnende Babys. Die Betreuung durch die Frau wird vorausgesetzt, jedenfalls öffentlich. Profis sind normalerweise die Hauptverdiener in der Familie, das fördert veraltete Strukturen.
Matthias Ginter: Ein Kuss nur per Videoanruf
Kürzlich habe sich ein bekannter Spieler nach einer Elternzeit erkundigt, erzählt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der VDV-Spielergewerkschaft. „Trotz seines Anspruchs hat er sich dagegen entschieden, da er negative Reaktionen befürchtete.“ Ein Fußballer würde Kondition verlieren, vermutet Burgstaller. „Elternzeit wäre schwer umzusetzen – und vermutlich würde man auch auf Widerstand stoßen.“ Ginter hingegen kann sich vorstellen, dass in Zukunft ein Antrag bei einem Profiklub eintrudelt. „Wenn man sich mehr Zeit nehmen möchte, dann sollte es meiner Meinung nach selbstverständlich sein, dass auch ein Fußballprofi länger bei seiner Familie bleiben kann.“
Der Verteidiger wird seinem Sohn bald für einige Wochen nur per Videoanruf einen Kuss geben können. Im Juni beginnt die Europameisterschaft. Ein Traum für Fußballer, eine problematische Zeit für Familien von Fußballern. Guido Burgstaller verabschiedete sich daher kurz nach der Geburt aus der österreichischen Nationalelf. Überhaupt habe er mittlerweile deutlich mehr Freiräume unter der Woche, weil er nur in Liga zwei für den FC St. Pauli stürmt. „Ich bewundere die Fußballer, die international spielen und gleichzeitig eine Familie haben.“
Burgstaller und Ginter: Viele Termine, wenig Schlaf
Wie Matthias Ginter, der zugibt, dass die enge Taktung sehr stressig für seine Frau sei. „Sie ist dann mehr oder weniger alleinerziehend.“ Zwei Nächte vor einem Anpfiff versucht er durchzuschlafen. „Vor allem in Englischen Wochen muss dann doch meistens meine Frau aufstehen“, erzählt er. Dafür kümmert sich der Abwehrspieler immer nach einer Partie um seinen Sohn, wenn dieser schlecht träumt. Da er selbst oft wach liege. „Es gibt natürlich andere Berufe, die noch weitaus zeitintensiver sind. Deswegen glaube ich, dass man als Fußballer eigentlich trotzdem noch genug Zeit hat, sich um die Familie zu kümmern.“
Vor allem wollen Burgstaller und Ginter dies, trotz all der anderen Verpflichtungen.
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Später wird ein weiteres Problem auf beide zurollen. „Wenn die Kinder größer werden, müssen sie lernen, auf dem Schulhof mit dem einen oder anderen nicht so netten Spruch vernünftig umzugehen“, meint Baranowsky. Ginter möchte damit dann offen umgehen. Grundsätzlich aber sollen „unsere Kinder so wenig wie möglich darauf reduziert werden, was ein Elternteil beruflich macht“.