Essen. Auch Medientermine finden in Corona-Zeiten fast ausschließlich virtuell statt. Reporter sind gefangen in ihrer Zoom-Kachel. Eine Kolumne.
In den vergangenen Wochen habe ich viel über meine Kolleginnen und Kollegen erfahren. Da ist der eine aus dem Rhein-Main-Gebiet, der in seinem Keller ein gewaltiges Metallregal aufgebaut hat, voll mit Ordnern, Blöcken, Zetteln – ein beeindruckendes Archiv aus vielen Jahren Journalistentätigkeit. Ein Stück den Rhein hinab wohnt ein anderer mit hübscher Deckenlampe und noch viel hübscheren gerahmten Pink-Floyd-Covern an der Treppe. Der Kollege vom Fernsehen hört, nach allem, was ich weiß, kein Pink Floyd. Dafür sitzt er sehr oft in seinem Auto, auch wenn er gerade gar nicht unterwegs ist.
Woher ich das alles weiß? Weil ich den Kollegen schon sehr lange nicht begegnet bin. Was gleichwohl Sinn ergeben wird, wenn Sie noch ein Stück weiterlesen. In Corona-Zeiten finden viele Termine digital statt, über Programme wie Zoom wählen wir uns bei Interviews, Presseterminen und Konferenzen ein. So erhalte ich viele Einblicke in die Privathäuser der Kollegen, sehe vieles, was ich nie gesehen habe und teilweise auch nie sehen wollte.
Die neue Technik wird sehr unterschiedlich genutzt. Da ist der Kollege, der immer vergisst, sein Mikro einzuschalten, wenn er redet. Als Ausgleich vergisst der andere sehr oft, es auszuschalten und führt seine Privatgespräche so vor großer Runde. Bei mir sind Fußleisten im Hintergrund zu sehen, die ich seit Jahren anbringen will. Mein Arbeitszimmer nämlich ist ein ziemliches Provisorium, in Wahrheit ist es ein simpler Holztisch eingequetscht zwischen Kleiderschrank, Heizung und Fenster. Ist ja nur für kurze Zeit, so dachte ich im März. Seitdem, so fühlt es sich zumindest an, habe ich den Raum nur noch zum Schlafen und Essen verlassen.
Gefangen in einer kleinen Zoom-Kachel
Meine Arbeit hat sich wegen Corona radikal verändert. Früher gab es viele Veranstaltungen und am Rande davon viele Gelegenheiten zu informellen Gesprächen mit Akteuren aus dem Sport. Heute ist man während eines Pressetermins gefangen in einer kleinen Zoom-Kachel auf einem Bildschirm, umgeben von vielen anderen kleinen Zoomkacheln. Wenn man eine Frage hat, winkt man hektisch. Manchmal wird man bemerkt, manchmal auch nicht. Wird man drangenommen und schafft man es rechtzeitig, das Mikro einzuschalten, kann man seine Frage stellen, die entweder beantwortet oder umschifft wird. Das immerhin ist wie früher. Heute aber lässt sich kaum nachhaken, weil der Moderator einem längst das Mikrofon abgeknipst und einen der vielen anderen hektisch winkenden Kachel-Insassen drangenommen hat.
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Ansonsten bleibt einem das Telefon, schon zu normalen Zeiten das wichtigste Arbeitsgerät des Reporters. In diesen Zeiten aber läuft es im Dauerbetrieb, vermutlich sind die Kopfhörer bald fest mit meinen Ohren verwachsen. Darüber wird sich dann einer der lieben Kollegen in einer Zoom-Konferenz mächtig wundern. Und wer weiß: Vielleicht schreibt er sogar einen launigen Text darüber.