Essen. Nach der ersten Saison der Uefa Youth League, der Champions League für U19-Teams, gehen die Meinungen der teilnehmenden Klubs auseinander. Während BVB und Schalke Fehlstunden der Talente in der Schule beklagen, zieht Bayer Leverkusen ein positives Fazit. Ändern will die Uefa den Modus noch nicht.

Die Champions-League-Hymne, Adidas und Mastercard auf den Werbebanden, TV-Übertragung samt Superzeitlupen, dann hebt der FC Barcelona den Pokal in die Höhe. Die Uefa macht seit der Saison 2013/14 die Kleinen ganz groß. Parallel zur Champions League treten die Jugendmannschaften aller qualifizierten Profiteams gegeneinander an: In der kommenden Saison wird der Wettbewerb nach bestehendem Modell fortgesetzt. Doch nicht jedem Verein schmeckt das.

Borussia Dortmund ist ein Vetreter, der kein positives Fazit aus der ersten Youth-League-Saison zieht. „Für die Spieler waren es sechs Spiele mehr in der Hinrunde. Für ein Auswärtsspiel waren sie drei Tage unterwegs”, kritisiert Lars Ricken. Mit 20 Jahren schoss er 1997 den BVB gegen Juventus Turin zum letzten Champions-League-Erfolg, heute koordiniert der Ex-Nationalspieler die Nachwuchsabteilung des Revierklubs und macht sich Sorgen um seine Schützlinge, denn der neue Uefa-Wettbewerb geht vor allem auf Kosten der Schule. Elf Unterrichtstage fielen in der Hinrunde durch die Youth League in Dortmund aus. „Die Top-Talente sind zudem noch mit den DFB-Juniorenteams und der Westfalen-Auswahl unterwegs“, erinnert Ricken.

Die Junioren des FC Schalke 04 häuften sogar noch mehr Fehlstunden an, denn das U19-Team unter Trainer Norbert Elgert erreichte das Halbfinale des Wettbewerbs, wo es sich nur knapp dem späteren katalanischen Champion geschlagen geben musste. Der Wettbewerb ist bei den jungen Talenten sehr gut angekommen, trotzdem hält auch Schalkes Nachwuchs-Direktor Oliver Ruhnert die Kritik bezüglich der Fehlzeiten für berechtigt: "Es entstehen zu viele Ausfallzeiten in der Schule und im Trainingsbetrieb. Wir haben eine Kooperation mit der Gesamtschule Berger Feld, einer Eliteschule des Fußballs, durch die wir einiges auffangen konnten. Sonst wäre das garnicht möglich gewesen."

Sportpsychologe arbeitet bei Bayer Leverkusen eng mit der U19 zusammen

Während die Reviernachbarn trotzdem Probleme haben, Schulbildung und den internationalen Wettbewerb unter einen Hut zu bekommen, sieht der Großteil der teilnehmenden Vereine der kleinen Königsklasse positiv entgegen. Laut Uefa liegt der Zuspruch bei 75 Prozent. Bayer Leverkusen zählt im Gegensatz zu BVB und S04 zu den Befürwortern des Wettbewerbs, auch wenn der schwierige Spagat zwischen Schule und Talentförderung gemeistert werden muss.

 „In Europa gibt es im Hinblick auf die Schulpflicht – zum Beispiel Spanien – andere Kriterien, was dazu führt, dass bei den Jugendmannschaften bereits Spieler mit von der Partie sind, die nicht mehr auf die Schule gehen und damit ganz auf die Karte Fußball setzen”, weiß Jürgen Gelsdorf, der Leiter des Bayer04-Nachwuchszentrums ist und auch Mitglied einer Evaluierungskommission der Uefa zum Thema Youth League war. BVB-Kollege Ricken will jedoch auch in Zukunft keine Kompromisse eingehen: „Wir haben hier eine Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr und das hat auch gute Gründe. Wir legen auf beides großen Wert und deswegen haben wir auch große Probleme den Wettbewerb zu händlen.”

Mit Nachhilfe-Unterricht versucht Dortmund Herr der Lage zu werden, doch Experten warnen vor zu hohem Stress für die Jugendlichen. Bayer 04 Leverkusen hat mit Christian Luthardt nicht umsonst einen Sportpsychologen eingestellt, der auch intensiv mit der U19 arbeitet. „Natürlich sind Spieler, die gerade Abitur machen, Belastungspeaks ausgesetzt. Natürlich sind Stimmungsschwankungen in der Pubertät ein Thema, wo der Spieler lernt, mit seinen Emotionen umzugehen. Der eine macht das von Natur aus richtig gut, der andere braucht da Unterstützung“, so der Betreuer der Junioren-„Werkself“.

Auch die organisatorischen Ansprüche der Uefa machten den Klubs zu schaffen. „Bei Heimspielen mussten wir die Bestimmungen der Profis übernehmen, was mit großem Aufwand verbunden war“, beklagt Ricken. „Zum Beispiel mussten wir beim ersten Spiel im Stadion Rote Erde 85 Ordner einsetzen. Danach haben wir dann in Holzwickede gespielt, das war etwas entspannter, aber nichtsdestotrotz ein immenser Aufwand.”

Keine Uefa-Anpassungen in der kommenden Youth-League-Saison

Der Wettbewerb der Uefa befindet sich noch in der zweijährigen Testphase. Deswegen hat der europäische Fußball-Verband auch angekündigt, zur kommenden Spielzeit, die im September beginnt, zunächst keine grundlegenden System-Anpassungen vorzunehmen. Danach, so deutet die Uefa auf WAZ-Anfrage an, wolle man aber darüber nachdenken, auch anderen Jugendteams die Teilnahme zu ermöglichen, unabhängig von der Qualifikation des Profiteams. Die U19 des VfL Wolfsburg setzte sich beispielsweise im letzten Jahr zwar gegen die Konkurrenz durch und wurde deutscher A-Jugendmeister, war jedoch nur Zuschauer in der Youth League. „Ein anderes Format würde sicherstellen, dass auch alle besten europäischen Teams teilnehmen könnten,“ so Michael van Praag, Vorsitzender des Uefa-Ausschusses für Vereinswettbewerbe.

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In regelmäßigen Abständen sitzen DFB, DFL und die teilnehmenden deutschen Vereine zusammen, um über mögliche Verbesserungen zu diskutieren. Lars Ricken hofft, dass bis zum Start der neuen Saison noch an der ein oder anderen Stellschraube gedreht wird: „Bis September sind noch einige Sitzungen geplant. Testphasen sind ja auch dazu da, schon im Laufe und nicht erst am Ende Änderungen vorzunehmen und zu optimieren.“ Borussia Dortmund würde sich zum Beispiel wünschen, Auswärtsspiele in die Ferien oder auf das Wochenende verlegen zu können oder die Gruppenphase auf drei Spiele zu reduzieren. „Eine weitere Erleichterung wäre es auch, U20-Spieler einsetzen zu können, um die Belastung der einzelnen Spieler zu reduzieren“, schlägt Ricken vor.

Die Jugendspieler nehmen die hohen Belastungen in Kauf. Für sie ist der Wettbewerb eine prestigeträchtige Herausforderung, schließlich haben sie nicht alle Tage die Möglichkeit, sich mit den besten Klubs und den größten Talente Europas zu messen und noch dazu unter ähnlichen Bedingungen wie die Profis: „Die Spieler haben die Spiele in Donezk, San Sebastian und Manchester sehr genossen. Es hat die Spieler eindeutig einen Schritt weiter gebracht,“ sagt Jürgen Gelsdorf von Bayer Leverkusen. Im Vergleich zum BVB sind die Jugendspieler auch gemeinsam mit dem Profiteam gereist: „Dies war quasi ein oberstes Gebot, um das Erlebnis für die Jugendlichen richtig greifbar zu machen.“