Gelsenkirchen/Hagen.. Die Nachwuchsarbeit des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 ist derzeit in aller Munde. Die U19-Mannschaft steht im Halbfinale der Junioren-Champions-League (Youth League), im Pokalfinale, in der Bundesliga auf Platz eins und stellt derzeit große Teile der Profi-Mannschaft. Ein Gespräch mit dem Hüstener Oliver Ruhnert, dem Direktor der Nachwuchsabteilung.
Das Gespräch soll eigentlich schon längst begonnen haben, aber immer wieder schellt das Telefon von Oliver Ruhnert. Der 41-jährige Hüstener ist Direktor der Nachwuchsabteilung des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 und damit der Chef eines Bereichs, der derzeit für Schlagzeilen sorgt. Handys aus, Funkstille, Zeit zum Reden.
Herr Ruhnert, Sie scheinen derzeit ein gefragter Mann zu sein.
Oliver Ruhnert: Es ist extrem stressig derzeit, das stimmt. Der Medien-Hype um den Schalker Nachwuchs ist im Moment der Wahnsinn. Fernsehsender und große überregionale Zeitungen sowie Magazine melden sich bei uns und wollen das Geheimnis unseres Erfolgs ergründen. Wir haben auch Anfragen aus dem Ausland, aus Schweden, Spanien Frankreich und den Niederlanden.
Ihre U19-Mannschaft steht im Halbfinale der Junioren-Champions-League (Youth League), im Pokalfinale, in der Liga auf Platz eins und stellt derzeit große Teile der Profi-Mannschaft. Beim Spiel in Bremen werden wieder zahlreiche Eigengewächse im Schalker Kader stehen. Macht Sie das stolz?
Ruhnert: Es ist eine sehr spannende Zeit. Ich bin stolz auf das, was hier gerade passiert. Neben Schalke sind Borussia Dortmund, Bayern München und Bayer Leverkusen in der Youth League gestartet, nur wir haben die Gruppenphase überstanden und die K.o.-Runde erreicht.
Dort hat Schalke zuletzt Chelsea London geschlagen und trifft am kommenden Freitag auf den FC Barcelona. Was bedeutet das?
Ruhnert: Das ist eine Sensation. Chelsea hat bis zum Viertelfinale alle Spiele gewonnen und nur ein Gegentor kassiert. Sie waren neben Barcelona, das über die weltbeste Jugendakademie verfügt, die Titelfavoriten. Dass wir es bis hierher geschafft haben, ist bei den vergleichsweise bescheidenden Mitteln, die wir einsetzen, bemerkenswert.
Was bedeutet das in Zahlen?
Ruhnert: Chelsea soll acht Millionen Pfund pro Saison in seine Jugendakademie stecken. Das ist eine Ansammlung von internationalen Topleuten. Von solchen Zahlen sind wir meilenweit entfernt.
Auch der Ansatz scheint ein anderer zu sein.
Ruhnert: Ich bin durchaus der Meinung, dass man mal einen Spieler aus dem Ausland verpflichten kann. Aber die Balance muss stimmen. Wir heißen ja nicht umsonst Knappenschmiede. Auch wenn das vielleicht pathetisch klingt: Wir schmieden uns unsere Knappen. Die Jungs, die da gerade ans Tor zu den Profis klopfen, sind schon längere Zeit bei uns im Verein. Wir suchen uns unsere Talente vornehmlich in der Region und reisen nicht mit dem Geldkoffer durch die Welt.
Talente sind ein umkämpfter Markt. Der Revier-Rivale Borussia Dortmund hat in der jüngeren Vergangenheit anerkennende Worte über Ihre Jugendarbeit verloren. Aber dabei bleibt es nicht, oder?
Ruhnert: Dortmund ist derzeit sehr, sehr aktiv und macht einiges, was wir in der Form vielleicht nicht machen würden. Da wird durchaus mit Macht versucht, die bestehenden Verhältnisse zu verändern. Aber das ist vollkommen legitim.
Können Sie das Geheimnis des Schalker Erfolgs skizzieren?
Ruhnert: Alle, die hier an dieser Sache arbeiten, sind Schalker durch und durch. Wir leben Schalke. Wir legen großen Wert darauf, dass dieser Spirit bei den Jungs ankommt.
Das allein wird es aber nicht sein.
Ruhnert: Nein, aber aus diesem Gefühl heraus lässt sich viel bewegen. Wir haben die richtigen Strukturen geschaffen und zum Beispiel die U23 in die Jugendabteilung integriert. Die jungen Spieler absolvieren ihre Einheiten direkt neben der Arena, immer wieder trainieren ein paar von ihnen bei den Profis mit. Die Trainer der Jugend-Mannschaften und ich stehen im ständigen Dialog mit Horst Heldt (Manager der Profis, d. Red.). Die Anbindung der Jugend an die Profis ist glaube ich nirgendwo so eng wie bei uns.
Der Erfolg gibt Ihnen Recht.
Ruhnert: Wir freuen uns auf die Zukunft, weil wir wissen, dass die nächsten Talente schon bereit stehen. Und Jens Keller (Trainer der Profis, d. Red) hat schon bewiesen, dass er den Mut hat, sie für gute Leistungen zu belohnen und einzusetzen – selbst in einer Phase, in der es für ihn persönlich nicht gut lief.
Gibt es Versuche, Sie abzuwerben?
Ruhnert: Sagen wir so: Ich würde vermutlich nicht auf ewig arbeitslos bleiben, wenn Schalke entscheiden sollte, nicht mehr mit mir arbeiten zu wollen. Aber ich bin als Kind schon in Blau und Weiß um den Tannenbaum gerannt. Ich möchte noch sehr, sehr lange für diesen Verein arbeiten.